Original und Patina

In Bayreuth wurde das glanzvoll renovierte Markgräfliche Opernhaus, ein Juwel barocker Baukunst, wiedereröffnet

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine mittlere Stadt wie Bayreuth, und dann gleich zwei Opernhäuser von Weltrang! Das auf dem Grünen Hügel als Mittelpunkt der Richard-Wagner-Festspiele, das andere als Grund dafür, dass Wagner für seine Festspiel-Gralsscheune überhaupt auf die oberfränkische Provinz verfiel. Es ist das Markgräfliche Opernhaus, das die Schwester des Preußenkönigs Friedrich II. als Markgräfin Wilhelmine erbauen ließ: ein Holztheater mit drei Logenrängen und einer riesigen Bühne.

Das Beste, was 1744 an Architekten und Theatermalern zu haben war, wurde engagiert - in Frankreich für die Außenfassade, in Italien für das alles in den Schatten stellende Feuerwerk barocker Verzierungsopulenz im Innenraum. Da der Bau eine Herzensangelegenheit der in Bayreuth resolut mitregierenden Wilhelmine war, wurde er planmäßig nach vier Jahren Bauzeit mit Johan Adolph Hasses Oper »Artaserse« eingeweiht.

Das Gebäude überlebte in diesem Zustand - und das ist das eigentliche Wunder - unbeschadet sowohl das Kerzenlichtzeitalter als auch alle Fährnisse der Zeitläufte. Das lag auch daran, dass es nach Wilhelmines Tod 1758 in einen Überwinterungsschlaf verfiel. Nur die barocke Bühnentechnik fiel dem Modernisierungswahn der 60er Jahre zum Opfer.

An der Beseitigung ganzer Schichten von Übermalungen und Holzschutzorgien konnten sich jetzt Restauratoren austoben. Es ist ihnen tatsächlich gelungen, eine faszinierende Melange aus Original und Patina der Zeit so auferstehen zu lassen, dass es vor Staunen stumm macht. Seit 2012 zählt das Opernhaus offiziell zum UNESCO-Weltkulturerbe. Der Freistaat Bayern hat sich die sechs Jahre dauernde Renovierung knappe 30 Millionen Euro kosten lassen.

Zur feierlichen Wiedereröffnung des fürstlichen Barock-Erbstückes kamen, stilecht, gleich mehrere königliche Hoheiten bayerischer, sächsischer und preußischer Provenienz. Ein sichtlich gelöster Neu-Ministerpräsident Markus Söder am Rednerpult freute sich launig und sagte obendrein noch Konsenstaugliches über die Rolle von Kultur.

Dass man mit der Eröffnungsoper der Wahl der Markgräfin folgte, lag gleichsam in der Luft. Es war Hasses Musik, mit der Michael Hofstetter und die Hofkapelle München die Akustik des Holztheaters zum Leben erweckten. Auch die Kostüme und die nachgebaute Barockbühne auf der Bühne ließen zunächst eine historische Herangehensweise vermuten. Doch eine simple Reminiszenz war es dann keineswegs, die Regisseur Balázs Kovalik und sein Team - Altstar Anja Silja sowie fünf Studierende der Theaterakademie August Everding - da boten.

Die Idee, an Hasses Oper lediglich anzuknüpfen, daraus dann aber eine episodische Familienaufstellung zu machen, hat ihren Reiz. Sie kann aber nur bedingt funktionieren. Anja Silja als alte Markgräfin: Das hat Charme, selbst wenn sie nur spricht. Aber Wilhelmine wurde nur 49, Silja, die schon vor gut 50 Jahren auf dem Grünen Hügel aufhörte, wird dieser Tage 77. Von Hasses »Artaserse« blieb nur die Musik, von Pietro Metastasios Libretto blieben Regieanweisungen für ein barockes Kostümspiel auf der nachgebauten Bühne übrig. Der Rest: eine Familiendiagnose, die nur ansatzweise zeigt, wie Friedrich und Wilhelmine die Traumata ihrer Kindheit auch mit Kultur verarbeiteten.

Aber um die Inszenierung ging es diesmal nur in zweiter Linie.

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