Pipp ich, oder pippst du?

Fred Delmare wird heute 85 Jahre alt

  • Hanno Harnisch
  • Lesedauer: 2 Min.
Am Montagabend konnte man Fred Delmare im MDR noch einmal sehen. Am Vorabend seines 85. Geburtstages wurde ihm zu Ehren »Nackt unter Wölfen« gezeigt. Generationen ist die Geschichte der Häftlinge, die im KZ Buchenwald ein Kind vor den Wachen verbargen, tief in die Erinnerung geschrieben. Heute streiten Historiker über den Antifaschismus in der DDR. Delmare spielte einen Antifaschisten, an der Seite von Erwin Geschonneck, Armin Mueller-Stahl und Gerry Wolf. »Pipp ich, oder pippst du?« Das ist ein Satz, an den sich bestimmt viele noch erinnern aus diesem Film, den Frank Beyer im Jahre 1963 nach dem Roman von Bruno Apitz gemacht hatte. Dieser Satz, leicht verschmitzt gesagt von Fred Delmare, war so etwas wie sein letztes Argument. Dieser Mann hatte den rechten Charakter, der war auf der richtigen Seite. »Verordneter Antifaschismus« soll das gewesen sein? Filme wie »Nackt unter Wölfen sind wertvoller und dauerhafter als diese Diskussion. Im Jahr 1949 beendete Fred Delmare gerade die Schauspielschule des Hebbel-Theaters in West-Berlin. In die DDR kam er, um Theater zu spielen. Doch so ein Gesicht, so ein Typ bleibt dem Film - und dem Fernsehen - nicht lange verborgen. Delmare spielte einfach alles. Sein Van der Lubbe in »Der Teufelskreis« zeigte die tiefe Zerrissenheit des Mannes, der den Reichstag 1933 angezündet haben soll. Sein charakteristischer Kopf mit dem kecken Schnauzer, der auf seinem knuddelig kurzen Körper saß, war bei Indianerfilmen der DEFA (ein urkomischer, geigespielender Cowboy) genau so gefragt wie bei Literaturverfilmungen (als Enno Kluge in Falladas »Jeder stirbt für sich allein« oder auch als weiser Schäfer Krischan Klammbüdel in Wolfgang Luderes »Die Gerechten von Kummerow« nach Ehm Welk). »Paul und Paula«. Heiner Carow ist dieser Liebesfilm auch deshalb so gut gelungen, weil dort Menschen wie Reifen-Saft mitspielten, die zur DDR-Wirklichkeit dazugehörten. Auch Charakterdarsteller sehnen sich nach Liebe. Unterhaltungsstücke (mit Agnes Kraus oder Marianne Wünscher als ungleiche Partnerinnen) - kein Problem für Delmare. Da ist er ein Mensch, der um die Ecke zu wohnen scheint. 1995 steht er noch einmal mit Erwin Geschonneck vor der Kamera, auf der Jagd nach der großen Erbschaft in »Matulla und Busch«. Bis 2006 gab er den guten Opa Friedrich in der MDR-Erfolgsserie »In aller Freundschaft«. Jetzt spielt uns der Delmare nichts mehr. Hat Alzheimer, die Krankheit des Vergessens im Alter. Gut, dass er sich unvergesslich gemacht hat - mit seinen Rollen.

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