Bei Arbeit hört der Spaß auf

Eine humorvolle Demonstration für ein ernstes Anliegen zog durch Prenzlauer Berg

  • Christian Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Es ist mittlerweile ein kleines Ritual und Manchen gilt es als die schönste Demonstration des Jahres. Am 2. Mai feiert Berlin den »Internationalen Kampf- und Feiertag der Arbeitslosen«. Angefangen hat alles 2004 mit weniger als 50 Teilnehmenden. Am Mittwochnachmittag haben sich immerhin etwa 250 Personen am Senefelder Platz versammelt, um unter dem Motto »Wir haben Zeit« auf die Straße zu gehen.

Die Rhetorik der Moderation ist ironisch, unter den Demonstrierenden wird viel gelacht - doch das Anliegen der Demonstration ist durchaus ernst. »Parteien von links bis rechts wollen die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Aber eigentlich werden die Arbeitslosen bekämpft«, heißt es im Aufruf. Ein Redebeitrag der »Solidarischen Aktion Neukölln« behandelt konkrete Erfahrungen mit Jobcentern und spielt O-Töne von Menschen im Leistungsbezug ab. Ein Redebeitrag des »Arbeitskreises Marginalisierte - gestern und heute« zielt auf historische Kontinuitäten der Diskriminierung von Arbeitslosen ab.

Insgesamt herrscht jedoch ein sehr heiteres Klima auf der Demonstration. Auf einem der zahlreichen Schilder steht »Couch statt Coach«, eine Anspielung auf das von Jobcentern oft verordnete Coaching als Wiedereingliederungsmaßnahme. Auf anderen Schildern sind Faultiere abgebildet. Einige haben Roboter gebastelt. Eine der dominierenden Parolen lautet: »Wir sind nicht alle, es fehlen die, die arbeiten!«

Die Demonstration wendet sich gegen den Zwang zur Lohnarbeit. Das »solidarische Grundeikommen«, wie es der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) vertritt, sei »weder ein Grundeinkommen noch solidarisch«, so Ahne, der unter diesem Künstlernamen auftritt. Vielen ist der Schriftsteller durch seine »Zwiegespräche mit Gott« bekannt. Er hat die Demonstration mit organisiert. Dem »nd« sagt er, es sei »etwas zutiefst Menschliches, Freiräume zu genießen und sich lästige Arbeit vom Halse zu schaffen«. In Automatisierung sollte man daher nicht per se etwas Schlechtes sehen. »Wir sind dem Fortschritt sehr verbunden und haben auch einen eigenen Roboterblock. Automatisierung ist doch etwas Gutes, wenn sie nicht nur die Taschen der Unternehmer füllt, sondern allen Menschen Vorteile bringt«, so Ahne weiter.

Vor den »Schönhauser Allee Arcaden« wird eine Zwischenkundgebung abgehalten und - völlig unreligiös - gebetet: »Arbeit, Geißel der Menschheit, verflucht seiest du...« Danach geht es zurück zum Senefelder Platz. Der Tag der Arbeitslosen, der heute auch in Rostock und Leipzig gefeiert wurde, spricht ein zentrales Problem im Kapitalismus an. »Es gibt keinen Mangel. Aber es gibt Armut«, so der Aufruf.

Der Charakter der Demonstration ist schillernd, die Reaktionen darauf auch. Nicht jeder hat Verständnis. In den vergangenen Jahren soll es immer wieder zu Anfeindungen durch Passant_innen gekommen sein. Bei Arbeit hört für manche der Spaß auf.

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