Berlin wird zum Pflegefall

Hausbesuche und Sport sollen Zunahme von Pflegebedürftigkeit bremsen

Der Anteil älterer Menschen wird in den kommenden Jahren steigen – und damit auch die Zahl der Pflegebedürftigen.
Der Anteil älterer Menschen wird in den kommenden Jahren steigen – und damit auch die Zahl der Pflegebedürftigen.

212 000 Pflegebedürftige gab es 2023 in Berlin – das entspricht 5,5 Prozent der Bevölkerung. Das geht aus dem Landespflegeplan hervor, den der Senat am Dienstag beschlossen hat. Im Vergleich zu den Zahlen von 2013 bedeutet das bereits fast eine Verdopplung der Zahl der Pflegebedürftigen. Dabei dürfte es nicht bleiben. »Wir sehen eine massiv steigende Zahl von Menschen, die pflegebedürftig sind«, sagte Pflegesenatorin Ina Czyborra im Anschluss an die Senatssitzung.

Der Grund: Berlin wird älter. Die Zahl älterer Menschen wird im nächsten Jahrzehnt sowohl absolut als auch relativ steigen – und damit auch die Zahl der Pflegebedürftigen, weil Senioren häufiger schwer erkranken. Vor allem für die in 60er Jahren geborenen Babyboomer wird die Pflege in den kommenden Jahren zunehmend an Relevanz gewinnen.

Wie hoch die Zahl der Pflegebedürftigen am Ende konkret sein wird, dazu will die Senatspflegeverwaltung keine Prognose abgeben. »Es gibt eine große Bandbreite von Prognosen zur Pflegebedürftigkeit«, sagte Czyborra. Festlegen wolle man sich daher nicht. Wie viele Menschen am Ende pflegebedürftig sein werden, hänge etwa von der Entwicklung in der medizinischen Forschung ab. In der Vergangenheit lagen Prognosen zur Pflege meist daneben. Im letzten veröffentlichten Landespflegeplan von 2016 wurde etwa noch vorhergesagt, dass die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 auf 170 000 Menschen steigen werde – eine Angabe, die bereits jetzt von der Realität überholt wurde.

Bei der Senatsverwaltung glaubt man, den Anstieg zumindest abdämpfen zu können. »Wir haben noch Zeit, es zu verzögern und zum Teil zu verhindern«, so Czyborra. Dafür will sie auf Prävention setzen. Ohne diese befürchtet sie Schlimmes: »Wenn wir nichts tun, dann stehen wir vor einer Herausforderung, die kaum bewältigbar sein wird«, so Czyborra.

»Wenn wir nichts tun, dann stehen wir vor einer Herausforderung, die kaum bewältigbar sein wird.«

Ina Czyborra (SPD) Pflegesenatorin

Als Beispiel für konkrete Maßnahmen im Bereich der Prävention nannte Czyborra etwa das Verhindern von schweren Stürzen. Diese seien die zweithäufigste Ursache von Pflegesituationen. Helfen könnte etwa die barrierefreie Umgestaltung von Wohnungen. Aber auch Sport könne ein Weg sein, ältere Menschen so fit zu halten, dass es gar nicht erst zu Stürzen kommt. Die Senatsverwaltung will daher ein Projekt zur Bewegungsförderung in stationären Einrichtungen fördern.

Eine zentrale Rolle bei der Prävention soll Beratung spielen. »Die Teilhabe- und Beratungsinfrastruktur für die Zielgruppe älterer Menschen soll in allen Bezirken gleichermaßen verbessert werden«, heißt es im Landespflegeplan. Zentrale Anlaufstelle sollen die sogenannten Pflegestützpunkte sein, die kostenlose Beratung anbieten. Senatorin Ina Czyborra versicherte, dass die Stützpunkte keine Kürzungen befürchten müssen. »Wir haben die Pflegestützpunkte abgesichert«, antwortete sie auf die Frage nach der Position der Pflege im kommenden Doppelhaushalt. Mit einer neu einzurichtenden Fachstelle für Öffentlichkeitsarbeit sollen die Stützpunkte nun bekannter gemacht werden.

Vermehrt soll die Beratung auch direkt zu jenen kommen, die Gefahr laufen, pflegebedürftig zu werden. Über 70-Jährige sollen künftig Hausbesuche von geschulten Lotsen erhalten, die sie über Pflegeangebote und Möglichkeiten der Prävention aufklären sollen. Seit 2021 lief solch ein Pilotprojekt bereits im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Nun soll das Modell auf alle Berliner Bezirke ausgeweitet werden. Bis 2026 soll dieses Angebot flächendeckend verfügbar sein.

Auf die Bestandsaufnahme und die zahlreichen Absichtserklärungen soll als nächster Schritt ein Landespflegegesetz folgen. »Wir wollen eine bessere Grundlage schaffen, um auch als Land die Angebote strukturell besser auszusteuern«, so Czyborra.

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