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  • Referendum zu Schwangerschaftsabbruch

Irlands Abtreibungsverbot vor dem Aus

Am Freitag wird auf der grünen Insel über den zukünftigen Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen entschieden

  • Katharina Millar, Derry
  • Lesedauer: 3 Min.

Die katholisch geprägte irische Republik hat bis heute eines der strengsten Abtreibungsverbote in ganz Europa. Im Januar kündigte die Regierung an, ein Referendum über die Legalisierung von Abtreibungen abzuhalten. Der irische Ministerpräsident Leo Varadkar von der bürgerlich-liberalen Fine Gael erklärte: »Wir wissen, dass jedes Jahr Tausende irische Frauen für Abtreibungen ins Ausland gehen. Wir wissen, dass viele Frauen Abtreibungspillen per Post erhalten, um ihre Schwangerschaften zu beenden. Es gibt Abtreibung in Irland, aber sie ist nicht sicher, nicht geregelt und illegal.«

Die schiere Möglichkeit einer juristischen Aufweichung der bestehenden Gesetzeslage hatte schon 1983 zu einer Kampagne seitens der Kirche und zu einem Referendum geführt, das mit der 8. Verfassungsergänzung ein nahezu absolutes Abtreibungsverbot festschrieb und damit das Problem auslagerte. Seither reisten rund 170 000 Irinnen für eine Abtreibung ins Ausland, zumeist nach England. Zusätzlich riskieren jeden Tag drei Frauen mit der Einnahme von Abtreibungspillen Zuhause eine 14-jährige Haftstrafe.

»Wir spielen täglich medizinisches Roulette mit Frauenleben«, so Rhona Mahoney, leitende Chefärztin der staatlichen nationalen Geburtsklinik in Dublin. Da Artikel 40.3.3 das Recht auf Leben des Fötus mit dem der Schwangeren gleichstellt, dürfen Ärzte nur dann eine Schwangerschaft terminieren, wenn akute Lebensgefahr besteht. Eine Regelung, die unter anderem 2012 in Galway für die Zahnärztin Savita Halappanavar tödlich endete: da der Herzschlag des Fötus noch vorhanden war, wurde sie während einer Fehlgeburt in der 16. Woche über mehrere Tage nicht ausreichend behandelt und entwickelte Sepsis.

Ebenso verstarben mehrere Frauen, deren Krebsbehandlungen nicht zeitnah begonnen beziehungsweise weitergeführt werden konnten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied mehrfach seit 1986, dass die Rechtslage in Irland gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt, aber erst 2011 beschloss die Regierung, über eine Implementierung der Urteile nachzudenken. Weitere Abmahnungen aus Straßburg und zunehmender öffentlicher Druck, nachdem Ende 2014 eine klinisch tote und in der 15. Woche schwangere Frau über mehrere Wochen gegen den Willen ihrer Familie künstlich am Leben gehalten wurde, führten schließlich zur Einberufung einer Citizen Assembly (Bürgerversammlung), die nach Sichtung 13 000 öffentlicher Eingaben und Diskussion mit zahlreichen Organisationen von beiden Seiten umfassende Änderungsempfehlungen abgab.

Nach dem jetzigen Referendum bliebe Abtreibung auch weiterhin illegal, ein »Ja« würde dem Parlament jedoch ermöglichen, endlich zeitgemäße gesetzliche Regelungen zu erlassen. Auf ihren Parteikongressen im letzten Jahr hatten sich noch die überwiegende Mehrheit von Fianna Fáil und Fine Gael gegen eine Liberalisierung ausgesprochen, aber seit den Beratungen der Citizen Assembly haben sich nun alle großen Parteien dazu durchgerungen, eine Streichung des 8. Verfassungszusatzes zu unterstützen.

Seit Ende April ist das Land nunmehr überwiegend mit Plakaten der sogenannten Lebensschützer überzogen, die mit gefühlsgeladenen Halbwahrheiten und expliziten Fotografien zerrupfter Föten vor Abtreibung bis zu sechs Monaten warnen. Einer ihrer Werbesprüche, »Love Both« (Liebe für beide), wurde allerdings schnell mit »Love Boats« (Liebe zu Booten) persifliert, in Anspielung auf den Reiseweg vieler Frauen.

Die Kampagne »Together for YES« (Zusammen für ein JA) dagegen, ein Zusammenschluß von etwa 70 Organisationen, musste erst ein crowd-funding veranstalten, um Geld für den Druck von Plakaten zu sammeln - binnen drei Tagen wurden 500 000 Euro gespendet. Strikte Regelungen erlauben nur Spenden von bis zu 2500 Euro von irischen Einzelpersonen, um Einfluss aus dem Ausland zu verhindern.

Google und Facebook überraschten am vergangenen Mittwoch damit, dass sie von jetzt bis nach dem Referendum keinerlei bezahlte Werbeanzeigen (Google) beziehungsweise keine von außerhalb Irlands finanzierte Stimmwerbung (fb) zulassen wollen, sehr zum Ärger der Lebensschützer. Diese sehen das als einen Pakt von Regierung, Presse und Ja-Befürwortern, der dazu diene, sie zu benachteiligen und mundtot zu machen. Der Ärger ist verständlich, die Nein-Kampagne nimmt schließlich die Dienste der Politik- und Medienberatungsfirma eines Ex-Mitarbeiters von Cambridge Analytica in Anspruch.

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