• Politik
  • Sturz der Regierung in Spanien?

Sánchez sieht sich nah am Ziel

Spanischer Sozialdemokrat hat wohl Mehrheit für den Sturz von Regierungschef Rajoy

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Gerüchteküche brodelt in Spanien: Am Donnerstag wird über den Misstrauensantrag der Sozialdemokraten (PSOE) gegen Regierungschef Mariano Rajoy von der rechten Volkspartei (PP) im Parlament debattiert.

»Ich habe ein Mandat der Bürger«, dementierte Rajoy die Rücktrittsgerüchte am Mittwoch. Er wolle sein Amt bis 2020 ausführen. Neben der PP halten nur noch die rechten Ciudadanos (Bürger/Cs), einst als Korruptionsbekämpfer angetreten, trotz Kritik an ihm fest.

Der sozialdemokratische PSOE-Chef Pedro Sánchez will zunächst Spanien stabilisieren und aus dem »Korruptionssumpf« holen. Er buhlt nun um die Baskisch-Nationalistische Partei (PNV). Sánchez braucht beim konstruktiven Misstrauensvotum auch ihre Stimmen, um auf die absolute Mehrheit von 176 Sitzen der 350 Sitze im spanischen Parlament zu kommen. Die PNV will, dass der Haushalt der Rajoy-Regierung, der kürzlich mit ihren Stimmen verabschiedet wurde, unangetastet bleibt, weil dort Zugeständnisse für das Baskenland festgeschrieben wurden.

Andererseits fordert die PNV auch von Sánchez, dass die seit Ende Oktober bestehende Zwangsverwaltung Kataloniens durch Madrid fallen soll. Das hatte die PNV den Katalanen schon für eine Zustimmung zu Rajoys Haushalt versprochen. Rajoy hat dieses Versprechen bisher nicht gehalten. Er weigerte sich, die Namen unliebsamer katalanischer Minister im Gesetzesblatt zu veröffentlichen, da zwei von ihnen in Untersuchungshaft sitzen und zwei im belgischen Exil weilen.

Am Dienstag hat der neue katalanische Regierungschef Quim Torra nach Rücksprache mit den Gefangenen und Exilierten seine Kabinettsliste verändert und die vier Inkriminierten mit juristisch Unbelasteten ersetzt. Gleichzeitig kündigte er eine Klage gegen den spanischen Regierungschef Rajoy wegen »Rechtsbeugung« an.

Spaniens Justizminister Rafael Catalá (PP) drängt mit Blick auf die PNV-Stimmen inzwischen die katalanische Regierung zu bilden, um die Zwangsverwaltung automatisch zu beenden und so die PNV davon abzuhalten, für Sánchez zu stimmen. Den Automatismus hatten PP, PSOE und Cs im vergangenen Herbst festgelegt. »Umso schneller die Minister ins Amt eingeführt werden, umso schneller kann die Regierung die Arbeit aufnehmen und wir zur demokratischen Normalität zurückkehren«, hörte man neue Töne von Catalá. Mit Rajoy hatte er lange mit allen Mitteln jede Regierungsbildung in Katalonien torpediert.

Die PNV ist aber offenbar bereit, nachdem sie die Katalanen mit ihrem Wortbruch erzürnt hatte, mit ihnen in Madrid den Misstrauensantrag zu stützen. Wenn Sánchez genug Stimmen sammelt, werde man ihn unterstützen, hört man aus der Parteizentrale in Bilbao. Die PNV hat sich derweil bei der PSOE, mit deren Unterstützung sie im Baskenland regiert, die Zusage geholt, dass an den Investitionen im Baskenland nicht gerüttelt werde.

Festgelegt hat sich klar die Republikanische Linke (ERC) aus Katalonien. Sie kreidet der PSOE an, die Repressionspolitik der PP in Katalonien unterstützt zu haben. Es sei aber »keine Option, sondern eine Pflicht, die Diebe und Kerkermeister zu vertreiben«, erklärte der ERC-Parlamentarier im Madrider Parlament, Gabriel Rufián. Da die liberale PdeCat von Carles Puigdemont derweil erklärt hat, gemeinsam mit der ERC zu stimmen, hätte Sánchez mit der PNV genug Stimmen zusammen. Zwar hat auch der Chef der linken baskischen EH-Bildu kaum Hoffnungen in Sánchez, aber man werde die Menschen nicht enttäuschen. »Keine Minute länger« dürfe Rajoy und die PP regieren, sagte Arnaldo Otegi. Es sei ein »poetischer Akt der Gerechtigkeit«, wenn nun ausgerechnet Basken und Katalanen die PP-Regierung absägen.

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