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Regionale Unterschiede

Bildungsrauschen

  • Lesedauer: 2 Min.

Der Umgang mit Dialekten in der Schule, gar als Unterrichtsfach, könnte unter den Bundesländern größer nicht sein. Da zeigt sich Bayern von seiner kuriosen Seite. Einerseits wird das Kultusministerium in München nicht müde, die Bedeutung des Dialekts für die Erziehung hervorzuheben, andererseits werden die regionalen Dialekte aus den Lehrbüchern verbannt und Hochdeutsch als Standardsprache gesetzt. Das geht aus einer 2016 erschienenen Studie des Germanisten Peter Maitz von der Universität Augsburg hervor, für die er systematisch die bayrischen Schulbücher analysierte. Der Unterschied zwischen politischen Absichten und tatsächlicher Praxis habe zur Konsequenz, so Maitz, dass Dialekt ein »Kommunikationshindernis« darstelle, von dem selbst Muttersprachler betroffen seien. »Zeigen sie nur eine sprachliche Färbung, müssen sie soziale Nachteile und Diskriminierung hinnehmen.« Selbst in Stellenanzeigen werde akzentfreies Deutsch gefordert. Maitz sieht hierin einen Anachronismus, da auf diese Weise der »sprachlichen Ideologie des 19. Jahrhunderts« gefrönt werde, die Hochdeutsch zum »Sozialsymbol des gehobenen Bürgertums« erkor. Im Übrigen widerspreche diese Haltung dem Grundgesetz Artikel 3, wonach niemand wegen seiner Sprache Nachteile erfahren darf.

Und sie widersprechen der Argumentation des Kultusministeriums, wonach Kinder über den Dialekt einen »besonderen Bezug zum eigenen Kulturraum und den in ihm lebenden Menschen« entwickeln. Das Projekt »Freude an der Mundart« des Bayernbundes kommt da einer Sisyphusarbeit gleich. Seit 2010 versorgt er die Schulen mit Materialien und kann von »großer Aufgeschlossenheit sowie viel pädagogischem Engagement« seitens der Lehrkräfte berichten (sueddeutsche.de). Eine Lanze für den Dialekt bricht auch der Bayerische Lehrerverband (BLLV). Kinder, die mit Dialekt aufwachsen, verfügten über eine größere Sprachkompetenz (welt.de).

Das Institut für niederdeutsche Sprache (ins-bremen.de) sieht einen Zusammenhang zwischen der Einführung des Niederdeutschen als Unterrichts- oder Studienfach und dessen Anerkennung durch die »Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen«. Seit 2010 kann in Hamburg Niederdeutsch in der Schule als Zweitsprache im Wahlpflichtfach gewählt werden. Schleswig-Holstein bietet seit 2014/15 den »Leitfaden Niederdeutsch« als Sonderprogramm an 27 Grundschulen an. Und im niedersächsischen Erlass »Die Region und ihre Sprachen im Unterricht« von 2012 wird das Unterrichtsfach Plattdeutsch als Möglichkeit genannt. Inzwischen bieten auch Universitäten in Hamburg, Kiel, Münster, Oldenburg und Rostock Lehrstühle für Niederdeutsch oder mit niederdeutschen Anteilen an. Eingebunden in andere Studiengänge kann man niederdeutsche Philologie in Bremen, Flensburg, Greifswald, Magdeburg und Paderborn studieren. Damit sich das Niederdeutsch im Bildungsplan etabliert, brauche es aber »stabile Strukturen«, so das Institut, und verweist auf die 2013 veröffentlichte Broschüre »Auf dem Stundenplan: Plattdeutsch«, dessen Herausgeber der »Bundesraat för Nedderdüütsch« ist. Lena Tietgen

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