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  • Einwanderungspolitik der USA

Trennung von Migrantenfamilien »unhaltbar«

Wiesenthal-Zentrum fordert Reparatur des »kaputten Immigrationssystem« der USA / UN-Menschenrechtskommissar spricht von skrupellosem Vorgehen

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Die Trennung von Einwandererfamilien durch die US-Behörden sorgt weiter für Kritik. So hat das Wiesenthal-Zentrum das Vorgehen am Montag bemängelt. Eltern und Kinder dürften nicht getrennt werden, teilte die Einrichtung via Kurznachrichtendienst Twitter mit. »Es ist keine Frage von einigen Tagen oder Wochen, sondern es könnte sich um Jahre handeln«, schrieb das Zentrum. »Dies ist unhaltbar. Letztlich muss das kaputte Immigrationssystem repariert werden.«

Das 1977 gegründete Zentrum mit Hauptsitz in Los Angeles ist mit der weltweiten Suche nach untergetauchten Nazi-Verbrechern bekannt geworden. Es bemüht sich aber auch um die Förderung von Toleranz und kämpft in aller Welt gegen Rassismus, Antisemitismus, Terrorismus und Völkermord.

Das US-Innenministerium hatte am Freitag mitgeteilt, dass die US-Behörden seit Mitte April 2000 Kinder, die einen illegalen Grenzübertritt in die USA versucht hatten, von ihren Eltern getrennt haben. Es sei eine gängige Norm in der Strafverfolgung, dass Kinder nicht gemeinsam mit ihren Eltern inhaftiert würden. Sie würden in speziellen Einrichtungen oder bei Pflegefamilien untergebracht. Allerdings würden Säuglinge nicht von ihren Müttern getrennt.

Die Trump-Administration hatte im Frühjahr damit begonnen, ihre »Null-Toleranz-Poltik« gegen Menschen, die illegal an der Südgrenze zu Mexiko einzuwandern versuchen, durchzusetzen. Erst in der vergangenen Woche hatte Justizminister Jeff Sessions das Asylrecht verschärft.

Entsprechend überraschend wirkt es, dass nun auch First Lady Melania Trump die Trennung von Familien an der Grenze zwischen den USA und Mexiko kritisiert. »Frau Trump hasst es zu sehen, wie Kinder von ihrer Familie getrennt werden, und hofft, dass sich die beiden Lager im Kongress endlich auf eine erfolgreiche Einwanderungsreform einigen können«, sagte ihre Sprecherin Stephanie Grisham am Sonntag dem Fernsehsender CNN. Einen Zusammenhang mit dem zuwanderungsfeindlichen Kurs der US-Regierung kann sie offenbar nicht erkennen.

Anders der scheidende UN-Hochkommissar für Menschenrechte Said Raad al-Hussein. Er prangerte am Montag einen weltweit um sich greifenden »chauvinistischen Nationalismus« von »selbstsüchtigen und kaltschnäuzigen Führungspersonen« an. Hussein kritisierte zahlreiche Regierungen, ging aber explizit auch auf die USA ein. Die Trennung von Familien an der Grenze zwischen den USA und Mexiko bezeichnete er als »skrupellos«. Schon der Gedanke, dass ein Staat versuche, Eltern abzuschrecken, indem er ihre Kinder einem solchen »Missbrauch« aussetze, sei skrupellos, sagte Said bei einer Sitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf.

Al-Hussein sprach unter Berufung auf den Verband der Kinderärzte in den USA von einem »von der Regierung genehmigten Kindesmissbrauch«, der »irreparable Schäden« und »lebenslange Konsequenzen« zur Folge haben könne. Er forderte die US-Regierung auf, die »gewaltsame Trennung« der Kinder von ihren Eltern »sofort« zu beenden und die UN-Kinderrechtskonvention zu ratifizieren.

Die Praxis wird von den US-Demokraten massiv kritisiert und ist auch in Trumps Republikanischer Partei, die traditionell Familienwerte hochhält, umstritten. Im Repräsentantenhaus zirkulieren derzeit zwei Gesetzentwürfe zur Einwanderung, über die möglicherweise in der kommenden Woche abgestimmt werden soll.

Der Präsident wies den oppositionellen Demokraten die Schuld für die Lage an der Grenze zu. Diese seien für ein geltendes Gesetz verantwortlich, das die Familientrennungen vorschreibe. Beobachter werten diese Aussage als falsch: Es gebe kein US-Gesetz, das die Trennung von Eltern und Kindern an der Grenze zwingend vorschreibt.

Fünf Migranten sterben in Texas bei Verfolgungsjagd mit Polizei

Die Debatte über die US-Migrationspolitik dürfte durch einen Vorfall in der Nacht befeuert werden: Bei einer Verfolgungsjagd mit Grenzpolizisten im US-Bundesstaat Texas sind fünf Einwanderer getötet worden. Der Geländewagen mit insgesamt 14 Insassen habe auf der Flucht vor der Polizei am Sonntag eine Geschwindigkeit von bis zu 160 Stundenkilometern erreicht, ehe der Fahrer die Kontrolle verloren und der Wagen sich überschlagen habe, berichtete der Lokalsender KSAT unter Berufung auf die Polizei.

Das Unglück ereignete sich in der Stadt Big Wells bei San Antonio. Der Fahrer des Wagens wurde dem Bericht zufolge festgenommen, er sei nicht schwer verletzt. Vier der Mitfahrer seien auf der Stelle tot gewesen, ein fünfter sei im Krankenhaus gestorben. Mehrere Insassen seien verletzt in ein Krankenhaus gebracht worden.

Zur Herkunft der Todesopfer lagen zunächst keine Angaben vor. Der Unfall ereignete sich nahe der Grenze zu Mexiko. Dort versuchen viele Migranten die USA ohne Einreisepapiere zu erreichen. Agenturen/nd

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