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Sieben Tage, sieben Nächte

  • Lesedauer: 2 Min.

Wenn nur noch wenig Wasser fließt, wo vorher ein Strom war, spricht man eher von einem Fluss, einem Flüsschen oder einem Bach. Geht es um Migranten, heißt es: »Migrationsströme nach Europa deutlich kleiner als in den Vorjahren.« Flüsse klängen da viel zu unproblematisch, Flüsschen oder Bäche zu niedlich, um unwillkommen zu sein. Nicht nur die AfD, auch Sigmar Gabriel sieht »vagabundierende Flüchtlingsströme innerhalb europäischer Binnengrenzen«, wenn es nicht mehr Kontrolle über deutsche Grenzen und mehr europäische Absprachen gebe. Also quasi jetzt.

»Angie, lass dich nicht verseehofern!«, hieß es bei der Umzingelung der Bayerischen Landesvertretung am Montag in Berlin. Der ernste Hintergrund der spaßigen Aufforderung ist, dass Merkels Versuch, europäische Absprachen oder gar ein gemeinsames europäisches Handeln zu erreichen, tatsächlich derzeit die progressivste wahrnehmbare Regung ist. Auch wenn das etwa - nach den Vorschlägen der EU und wiederum vergleichsweise progressiver Regenten - darin bestehen könnte, die Schotten noch dichter zu machen und »regionale Ausschiffungsplattformen« in nordafrikanischen Ländern für aufgegriffene Bootsflüchtlinge einzurichten sowie »geschlossene Zentren« in der EU für diejenigen, die es trotz der widrigen Umstände dorthin geschafft haben. Dass Nahles Seehofer als »Gefahr für Europa« bezeichnet hat, gäbe Hoffnung, wäre irgendwo eine Rettung Europas vor sich selbst auszumachen.

Eine ernsthafte Bemühung, das Sterben im Mittelmeer zu beenden - allein in diesem Jahr sind laut UNHCR schon über 1000 Menschen ertrunken - ist nicht zu erkennen. Noch werden in Seenot geratene Flüchtende immerhin von Schiffen aufgenommen, wenn glücklicherweise rechtzeitig eins vorbeikommt. Doch nicht nur wird den Seenotrettern die Arbeit unmöglich gemacht. Auch sind Europa die sicheren Häfen abhanden gekommen; würden die »Geretteten« an Bord eines Schiffes sterben, könnte dafür wohl noch nicht einmal jemand zur Rechenschaft gezogen werden. Die Chance, mit hundert verzweifelten Menschen an Bord anlanden zu dürfen - so legt das Geschehen der Woche nahe -, lässt sich dadurch verbessern, dass man auch noch echte Werte, also eine Ladung Container mit dabei hat.

Die Menschenverachtung regiert, ob in Form der immer zahlreicher werdenden extrem rechten Regierungspolitiker - Italiens Innenminister Matteo »Menschenfleisch« Salvini ist nur der jüngste und prominenteste Zuwachs - oder in Form ihrer zynischen, vermeintlich nur konservativ-bürgerlichen Kopien wie Markus »Asyltourismus« Söder.

Der EU-Gipfel endete nach Redaktionsschluss dieser Seite. Gutes war nicht zu erwarten. Regina Stötzel

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