Warten auf den »Küken-Killer«

Wie bestellt fürs Sommerloch: In diesem Jahr wartet das hessische Offenbach mit einer rührenden Tier-Story auf

  • Eva Krafczyk, Offenbach
  • Lesedauer: 3 Min.

Still ruht der See im Offenbacher Dreieichpark. Eine Fontäne plätschert in der Mitte, und irgendwo unten am Boden des Teichs ruht wohl auch der Wels, der seit Tagen als sogenannter »Küken-Killer« Aufsehen erregt. »Ein Wels frisst nicht jeden Tag«, sagt Günther Hoff-Schramm, Geschäftsführer des Verbands Hessischer Fischer. »Er geht dann erst mal auf Grund und verdaut - das kann bis zu zwei Wochen dauern.« Eine gute Nachricht für die artgeschützten Küken, die mit ihrer Mutter außer dem Wels die letzten noch vorhandenen größeren Teichbewohner sein sollen. Es herrscht erst mal Ruhe - bis den Wels erneut der Hunger plagt.

Doch einfach so die Teichbevölkerung ausmerzen - das soll nicht sein. Die Zeit läuft gegen den Wels, denn bereits vor Tagen hat die Stadt Offenbach angekündigt, das Tier solle beseitigt werden. Erstmals gesichtet wurde es im vergangenen Jahr. Seitdem hat der Raubfisch alle Fische in dem nicht sonderlich großen Teich gefressen. Inzwischen bereichern die Küken von Stockenten und Teichhühnern den Speiseplan des wohl 1,50 Meter großen Tieres. Das könnte dem Wels nun zum Verhängnis werden - denn Teichhühner gelten nach dem Bundesnaturschutzgesetz als besonders geschützte Art und stehen auf der Roten Liste bestandsgefährdeter Vogelarten in Hessen.

Welse dagegen sind nicht geschützt. Mit den kleinen Glubsch- augen, dem großen Maul und den Bartfäden kommt der Fisch auch nicht gegen den Niedlichkeitsfaktor flauschiger Küken an. Trotzdem hat Offenbachs Stadtsprecherin Kerstin Holzheimer irgendwie auch Mitgefühl mit dem Fisch: »Man kann ihm eigentlich nicht vorwerfen, dass er sich Nahrung sucht.« Um die Ehrenrettung des Welses bemüht sich auch Ruwen Kohring, Fachautor für Angler-Magazine. »Ich finde, dass nur Unwahrheiten über den Fisch in die Welt gesetzt werden«, klagt er. »Ein Wels frisst - grob gesagt - im Jahr nicht mehr als er selbst wiegt.« Bei einem Wels von 1,50 Meter Länge seien das etwa 25 bis 26 Kilogramm. Tierschutz-Aktivisten forderten bereits, den Fisch umzusiedeln, statt ihn zu töten. »Er darf aber nicht in Fließgewässern vom Menschen ausgesetzt beziehungsweise dort gezielt angesiedelt werden«, betont ein Sprecher des Regierungspräsidiums Darmstadt. Denn bei dem Wels handele es um einen nicht-heimischen Raubfisch. Lediglich eine Umsiedlung in andere stehende Gewässer sei möglich. »Ansonsten bliebe natürlich auch noch die Möglichkeit zum Verzehr.« So sieht das auch Hoff-Schramm vom Fischerverband. »Der einzig vernünftige Grund, den Fisch zu fangen, ist, um ihn zuzubereiten«, sagt er. »Alles andere wäre ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz - man darf Fische nur mit einem vernünftigem Grund fangen.« Eine Grillpartie mit Wels am Weiher - da hätten doch viele was davon.

Könnte die Kükendiät den Geschmack des Fischfleisches verändert haben? Das bezweifelt Hoff-Schramm. Ob der Wels nun Küken, Frösche oder Krebse fresse - das werde alles in Proteine umgesetzt. »Das ist Eins-A-Fleisch, grätenfrei und schmeckt ähnlich wie Kalbfleisch.« Vorausgesetzt, der Fisch werde vor der Zubereitung ordentlich gewässert.

Da Welse nachtaktiv sind, müssen die Fischer das Tier in der Dunkelheit anlocken. Doch um anzubeißen, muss das Tier erst einmal wieder Hunger haben, betont Wels-Angler Kohring. »Andernfalls nützt auch der beste Köder nichts!« dpa/nd

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