Mietmarkt mit Schimmelbefall

Mietenreport zeigt: Junge Menschen, Familien und Alleinerziehende geraten zunehmend in Wohnungsnot

Alarmierend: Familien sind besonders häufig von Problemen auf dem Mietmarkt betroffen.
Alarmierend: Familien sind besonders häufig von Problemen auf dem Mietmarkt betroffen.

»Die Wohnungskrise hat die Mitte der Gesellschaft erreicht«, erklärt Melanie Weber-Moritz, Präsidentin des Deutschen Mieterbundes (DMB), bei der Vorstellung des neuen »Mietenreports« in Berlin. Fast jede dritte Person, die zur Miete lebe, habe demnach Angst, sich den Wohnraum nicht mehr leisten zu können. Beinahe jede sechste fürchte den Verlust der eigenen Wohnung.

Kriselt es am Mietmarkt, so betrifft das in Deutschland viele Menschen. »Deutschland bleibt das Mieter*innenland Nummer eins«, formuliert es Weber-Moritz. 52,8 Prozent der Menschen wohnen zur Miete – das sind 44,1 Millionen Menschen, drei Millionen mehr als vor fünf Jahren. Damit ist das Land mit Ausnahme der Schweiz europäischer Spitzenreiter. In Rumänien, dem Land mit dem höchsten Anteil an Wohneigentum, leben nur 5,7 Prozent der Bevölkerung zur Miete.

Der hohe Anteil an Mieter*innen hat historische Gründe. Rund um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert entstanden große industrielle Ballungszentren, dort gab es kurzfristig einen hohen Bedarf an günstigem Wohnraum. Zudem wurde während des Zweiten Weltkrieges etwa ein Viertel des Wohnbestands zerstört und danach wurden zum Ausgleich viele Mietwohnungen gebaut. Die Mietquote steigt derzeit weiter. Das habe auch etwas mit der sich öffnenden Schere zwischen Arm und Reich zu tun, erklärt Studienautorin Gwendolyn Stilling im Gespräch mit »nd«. Der Trend zu mehr Miete zeigt sich vor allem im unteren Einkommenssegment.

»Wenn Familien Angst haben, ihre Wohnung zu verlieren, wenn junge Menschen keine bezahlbare Wohnung mehr finden und wenn Renter*innen in von Schimmel befallenen Wohnungen leben, ist das eine soziale Krise, die uns im Kern der Gesellschaft trifft.«

Melanie Weber-Moritz Deutscher Mieterbund

Während die Eigentumsquote seit 2020 zurückging, wuchs der Anteil derjenigen, die schuldenfrei im Eigentum wohnen. »Wer bereits Wohneigentum besitzt, kann irgendwann die Schulden abbezahlen und es halten. Neue Wohneigentumsbildung ist jedoch für viele, vor allem für ärmere Haushalte, kaum noch erreichbar«, so der »Mietenreport«. Anders gesagt: Die Schere öffnet sich weiter. Derzeit sind etwa sechs Millionen Mieter*innen durch ihre Wohnkosten extrem überlastet, das bedeutet, sie geben mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für das Wohnen aus.

Alarmierend sei, dass Familien mit Kindern besonders häufig von Überbelegung und baulichen Mängeln betroffen seien, so Weber-Moritz. Etwa 30 Prozent der Familien leben in überbelegten Wohnungen, ebenso fast jede dritte alleinerziehende Person. Überbelegt sind Wohnungen nach EU-Definition, wenn weniger als ein gemeinsamer Aufenthaltsraum und Rückzugsräume für die Mitglieder des Haushalts vorhanden sind. Umgekehrt wohnt jeder Zweite aus dem reichsten Fünftel der Bevölkerung in unterbelegten Wohnungen. »Es fehlt nicht grundsätzlich an Wohnraum, sondern an bezahlbaren Wohnungen«, sagt Stilling.

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Der Mietenreport lokalisiert zudem eine »verdeckte Infrastrukturkrise«. Auch dort, wo Mieten gezahlt werden, finden sich zunehmend Gebäudemängel. 16 Prozent der Bevölkerung leben in Wohnungen mit Schäden wie Schimmel, Feuchtigkeit oder defekten Dächern. »Wenn Familien Angst haben, ihre Wohnung zu verlieren, wenn junge Menschen keine bezahlbare Wohnung mehr finden und wenn Renter*innen in von Schimmel befallenen Wohnungen leben, ist das eine soziale Krise, die uns im Kern der Gesellschaft trifft«, kritisiert Weber-Moritz.

Mit dem »Bauturbo«, der Verlängerung der Mietpreisbremse und der Einrichtung einer Mietrechtskomission habe die Bundesregierung aus Union und SPD bereits wichtige Schritte unternommen, so die DMB-Präsidentin. Der »Bauturbo« soll das Bauen in angespannten Märkten erleichtern, indem beispielsweise keine gesonderten Bebauungspläne mehr vorgelegt werden müssen. Durch die Mietpreisbremse dürfen Wohnungen nur zu einem Preis von bis zu zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete vergeben werden. Sie beinhaltet aber viele Umgehungsmöglichkeiten wie Indexmieten oder Möblierungszuschläge. Diese müssten unterbunden werden, so der DMB.

Außerdem gelte es, den Kündigungsschutz zu verbessern, den Bestand der Sozialwohnungen zu erhöhen, die Wohnungspolitik am Gemeinwohl auszurichten und Mietwucher konsequent zu ahnden. »Wuchermieten sind organisierte Abzocke auf Kosten der Mieterinnen und Mieter. Was Vonovia und Co hier abziehen, ist organisierte Mietkriminalität. Kriminelle Vermieter sind Erpresser und müssen daher härter verfolgt und bestraft werden«, forderte auch Jan van Aken, Ko-Vorsitzender der Partei Die Linke, in Reaktion auf den »Mietenreport«. »Wir sehen hier ein strukturelles Versagen von Markt und Politik«, kritisiert indes Weber-Moritz. »Der Markt allein wird diese Krise nicht lösen.«

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