Theresa Mays tragische Woche

Ein verrissenes Brexit-Weißbuch, etliche Rücktritte und dazu noch Trump

  • Ian King
  • Lesedauer: 3 Min.

»Heldenhaft gekämpft«, »Riesenfortschritte durch umsichtige Führung«, »Gute Taktik leider gescheitert«. Positive Schlagzeilen, nur galten sie Gareth Southgates im WM-Halbfinale ausgeschiedener englischer Nationalelf, nicht der Premierministerin mit der unglücklichen Hand. Für Theresa May war es hingegen eine Woche aus der Hölle.

Nach anfänglicher Euphorie, ihr zerstrittenes Kabinett mit einem Brexit-Weißbuch der Fragezeichen beisammen gehalten zu haben, hagelte es Rücktritte. Brexit-Unterhändler David Davis hatte schon lange mit Weggehen gedroht, Außenminister Boris Johnson ist seit Jahren von brennendem Ehrgeiz aufs höchste Amt beseelt; Juniorminister wie Steve Baker oder Parteiapparatschiks wie Maria Caulfield lauter Nullen - weg mit Schaden, mag sich May gedacht haben. Die nächsten zehn Tage überstehen, dann kommen Parlamentsferien und ich bin über dem Berg, mag die Pfarrerstochter von der Downing Street da gebetet haben.

Aber aller schlechten Dinge sind drei. Brexiter in der Tory-Fraktion ließen an dem Kompromissweißbuch für einen EU-freundlichen Brexit kein gutes Haar. »Frühzeitig die weiße Fahne gehisst« war dabei das Mindeste, das Wort »Verrat an Brexit-Wählern« machte in der Presse die Runde. Ex-Minister wie David Jones drohten, im Unterhaus gegen Mays sorgfältig geschnürtes Paket zu stimmen.

An Rettung durch die Opposition ist nicht zu denken. Obwohl in der Frage zweiter Volksabstimmung oder Neuwahlen uneins, wird Jeremy Corbyns Labourpartei keine Hand rühren, um Mays schäbigen Halbheiten zur Mehrheit zu verhelfen. Denn May strebt mit den Partnern Einigkeit beim Außenhandel mit Waren an, lässt aber den Dienstleistungsbereich und damit 80 Prozent der britischen Exporte, außer Acht. Liberale und Nationalisten lehnen Mays Bemühungen ebenfalls ab. Das alles, bevor der neue Brexit-Minister Dominic Raab seinem Brüsseler Gegenspieler Barnier die Hand gegeben hat.

Aber das Allerschlimmste: Ein Besuch des Washingtoner Elefanten im Brexit-Porzellanladen. May selbst hatte vorschnell Donald Trump auf die Insel eingeladen - in der Hoffnung, ihn durch Bankett, Tee mit der Queen sowie Golfrunden im schottischen Ayrshire für einen Handelsdeal milde zu stimmen. Die Streicheleinheiten verfehlten ihren Zweck. May habe bei den EU-Verhandlungen seinen Rat missachtet, tobte der Unglücksbote in einem Interview mit Rupert Murdochs Boulevardzeitung »The Sun«. Ein Deal mit den USA sei unter Mays Bedingungen undenkbar. Überhaupt sei Trump-Freund Boris Johnson ein toller Kerl, der ein wunderbarer Premier werden würde. Die Flegeleien wurden vor der gemeinsamen Pressekonferenz publik: Eine Politikerin mit Selbstachtung hätte Presseauftritt und Tee mit Elizabeth II abbestellt und sofort dem Besuch ein Taxi zum Flughafen organisiert.

Natürlich beschwor Trump, das Interview sei »fake news«, das Verhältnis zu Großbritannien sei besonderer als besonders, er bewundere May und freue sich, so viele britische Anhänger zu haben. Die Hunderttausenden, die gegen seinen Rassismus, Frauenhass und das permanente Lügen seinerseits demonstriert haben, waren anderer Ansicht. Die gebeutelte May wohl insgeheim ebenfalls. Diese träumt derweil von besseren Tagen: Aber neue Brexit-Abstimmungen sowie Johnsons bevorstehende Rücktrittsrede versprechen weitere heiße Tage.

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