Frieden machen

  • Jörn Schulz
  • Lesedauer: 3 Min.

Kann man? Darf man? Oder muss man vielleicht sogar? Eine Komödie über Religion und religiöse Konflikte zu drehen, ist derzeit ein Wagnis, in Frankreich wohl mehr noch als in Deutschland. Fabrice Eboué, der mit dem Schreiben des Drehbuchs für »Ein Lied in Gottes Ohr« bereits begonnen hatte, verschob das Projekt nach den islamistischen Anschlägen am 13. November 2015, realisierte den Film dann aber später doch.

»Ein Lied in Gottes Ohr« erzählt die Geschichte des Musikproduzenten Nicolas Lejeune, der mit Beziehungsproblemen zu kämpfen hat, aber innerhalb kurzer Zeit eine neue Band zum Erfolg führen muss, um nicht von der neuen Chefin seines Konzerns entlassen zu werden. Schwuler Rap? Nichts Neues. Traurige Lieder? Der depressive Barde bringt sich vor Vertragsabschluss um. Lejeune verfällt auf die Idee, einen Rabbi, einen Priester und einen Imam in einer Band zu vereinen, und findet mit seiner Assistentin Sabrina nach einigen Problemen schließlich Rabbi Samuel, Priester Benoit und den vermeintlichen Imam Moncef.

Damit hat der Film schon sein erstes Problem. Während Samuel und Benoit tatsächlich Geistliche sind, ist Moncef ein trinkfreudiger, sexuellen Ausschweifungen nicht abgeneigter Sänger, der den Imam nur spielt, weil er dringend mehr Geld braucht, als er bei seinen Auftritten in Kaschemmen verdient. Erschien es Eboué zu gewagt, das Publikum über einen islamischen Geistlichen lachen zu lassen? Lejeune scheitert beim Imam-Casting an Humorlosigkeit und mangelnder Dialogbereitschaft - das wäre im wirklichen Leben vielleicht genauso. Moncef ist als Gottloser, der sich über Islamophobie ereifert und antisemitische Verschwörungstheorien erzählt, sie sich selbstverständlich nicht gegen die Juden richten, auch eine Figur, die ein vermeintlich religiöses Milieu, dem es in Wahrheit um ganz andere Dinge geht, wohl recht treffend karikiert.

Und ja - es ist schließlich eine Komödie. Noch dazu eine gut besetzte und über weite Strecken gelungene, auch in ihrem Blick auf die Skurrilitäten des Musikgeschäfts. Das Spiel mit den religiösen Ressentiments funktioniert, solange Eboué seine Figuren streiten lässt und sich auch etwas heiklere Gags erlaubt. Aber die guten Ideen reichen nicht für die gesamten anderthalb Stunden, die Dramaturgie wird schwächer, die Gags werden konventioneller. Es ist zweifellos schwierig, sich angesichts der uralten Tradition des Zölibatswitzes noch etwas Neues auszudenken, aber wie der Priester seine große Liebe findet, ist dann doch eine allzu vorhersehbare Wendung.

Dass Eboué der Geschichte ein versöhnliches Ende geben wollte, tut dem Film nicht gut. Die streitlustige Männergruppe rauft sich irgendwie zusammen und begeistert mit ihrem Song »Coexister« - genau genommen ein im Übrigen recht bescheidenes Anliegen - die Massen. Das ist, Komödie hin oder her, auch unabhängig vom brisanten Thema etwas dünn.

»Ein Lied in Gottes Ohr« muss sich strengeren Ansprüchen stellen als andere Komödien und wird unweigerlich auch politisch beurteilt. Das ist nicht ganz fair, und man sollte von Eboué nicht verlangen, er möge Wege zur Konfliktlösung aufzeigen. Mit der Botschaft, dass nichts und niemand sich ändern muss, wenn alle nur etwas guten Willen zeigen, driftet der Film aber allzu sehr in die Harmlosigkeit ab.

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