- Politik
- Bayerische Asylpolitik
Aus Transit- wird Ankerzentrum
Bayern eröffnet sieben Einrichtungen für zentralisierte Abwicklung der Asylverfahren
Die bayerische Staatsregierung nimmt am heutigen Mittwoch insgesamt sieben sogenannte Ankerzentren in Betrieb - je eines pro Regierungsbezirk. Die Einrichtungen entstehen überwiegend in existierenden Asylunterkünften und orientieren sich an den Plänen, die die CSU in den Koalitionsverhandlungen durchsetzen konnte. »In allen Einrichtungen werden sofort die allermeisten im Koalitionsvertrag vorgesehenen Funktionen garantiert«, pries Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bereits im Vorfeld die Pläne. Am Schwerpunkt der Einrichtung lässt die CSU jedenfalls keinen Zweifel, selbst wenn sie pro forma die Bedeutung von sozialer Beratung betont: Es sollen vor allem diejenigen Flüchtlinge, deren Asylantrag wenig Erfolgsaussicht bescheinigt wird, schnellstmöglich des Landes verwiesen werden.
Umgesetzt werden soll das durch eine Bündelung aller relevanten Stellen, die mit der Betreuung der Flüchtlinge und mit der Bearbeitung von Anträgen beschäftigt sind. Neben dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) betrifft das auch die Ausländerbehörde, die Arbeitsagentur sowie die Verwaltungsgerichte. Sie alle sollen mit Außenstellen in den Einrichtungen vertreten sein, um die Verfahren durch kurze Wege erheblich zu beschleunigen. Am Ende soll es dann lediglich zwei Optionen geben, ohne Zwischenschritte oder Grautöne: Die Weiterverteilung - oder die Abschiebung direkt aus dem Zentrum.
Auf den ersten Blick mag das wie eine sinnvolle Idee erscheinen, um die oft langwierigen Entscheidungszeiten zu verkürzen. Tatsächlich gibt sich die Regierung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auch alle Mühe, die Maßnahmen mit genau diesem Narrativ zu legitimieren. Es soll dem Vorhaben zu einem positiven Image verhelfen - zu einem positiv konnotierten Bild, wonach die Unterkünfte selbst für betroffene Flüchtlinge von Vorteil wären. Doch hinter den Fassaden hat diese Unterbringungsart Tücken, die die CSU gerne verschweigt.
In den letzten Monaten haben Experten wiederholt auf die Probleme hingewiesen, die in derartigen Zentren angelegt sind. Als größter Kritikpunkt gilt vor allem die Unterbringung einer hohen Zahl von Menschen auf engem Raum, ohne nennenswerten Kontakt zur Außenwelt oder zu Unterstützern. Das kann wiederum Depressionen und Aggressionen begünstigen. Hinzu kommt, dass die meisten der Bewohner ohne Perspektive sind - eine doppelt ungünstige Kombination. Der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, nannte das im Mai gegenüber »nd« ein »integrationspolitisches Fiasko«. Dabei können Kritiker ihre Bedenken ironischerweise mit Erfahrungen untermauern, die aus dem Ursprungsland dieser Idee stammen: aus Bayern.
2016 und 2017 hat die CSU-Regierung dort zwei Unterkünfte eingerichtet, die Pate für die Idee der Ankerzentren standen: das »Transitzentrum Manching« und die »Besondere Aufnahmeeinrichtung« in Bamberg. Beide wurden explizit mit dem Ziel geschaffen, Flüchtlinge durch möglichst widrige Bedingungen abzuschrecken. Vor Ort herrschen Arbeitsverbote, es gibt kaum Privatsphäre, und die Bewohner sind einer ständigen Überwachung ausgesetzt, sogar die Achtung der Kinderrechte stand immer wieder in Zweifel. Besonders pikant ist aber die Tatsache, dass die Einrichtung in Bamberg z.B. für einen deutlichen Anstieg der Kriminalität gesorgt hat. Diese Entwicklung veranlasste Innenminister Joachim Herrmann (CSU), ein eigenes Maßnahmenpaket vorzulegen - freilich ohne eine genaue Analyse der sozialen Umstände vorzunehmen. Geliefert hat diese das zuständige Ombudsteam der Stadt Bamberg in einem Appell, wonach durch die Unterkünfte »unnötige strukturelle Probleme« entstünden, darunter Frustration und Hoffnungslosigkeit, Depressionen und Aggressionen sowie Gewalt und ein Anstieg der Kriminalität.
Von derartigen Bedenken will die CSU jedoch nichts wissen. Im Gegenteil: Mit den Ankerzentren treibt sie vielmehr eine noch restriktivere asylpolitische Neuausrichtung voran, die der neue Ministerpräsident Markus Söder im Vorfeld der Landtagswahlen (nicht nur) in Bayern forciert. Die desaströsen Prognosen vor Augen, die ihn eine historische Niederlage der CSU befürchten lassen, will Söder mit diesen Maßnahmen offenbar Wähler am äußerst rechten Rand zurückgewinnen. Die Ankerzentren stehen exemplarisch für jene Art von Politik, die frei von Skrupeln oder Zweifeln auf dem Rücken von Menschen ausgetragen wird, die überhaupt nicht mehr als Individuen wahrgenommen werden.
Zudem will Bayern abermals eine Vorreiterrolle einnehmen, auch um Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) den Rücken zu stärken. Dieser hatte bislang wenig Erfolg mit seinen Bemühungen, die Bundesländer von seinen Ankerzentren zu überzeugen. Viele von ihnen sperrten sich gegen die Idee, bekundeten grundsätzliche Bedenken. Daher will die CSU von Bayern aus Druck auf die Skeptiker aufbauen, damit diese doch noch nachgeben. Das langfristige Ziel hinter diesen Bemühungen ist klar: Auch der Bund soll endlich in allen Punkten eine Asylpolitik umsetzen, die die CSU diktiert.
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