Sieben Tage, sieben Nächte

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Bei der Hitze hilft es vielleicht, die Augen zu schließen und an Minusgrade zu denken. Gefrorene Pfützen, Schnee, gern auch leichter Hagel, eisiger Wind, kalte Hände, kalte Füße, kalte Ohren. Noch zehn Minuten bis zur Arbeit. Gänsehaut.

An Minuszinsen zu denken, trägt eher nicht zur Abkühlung bei. Im Gegenteil erhitzt das eher das eine oder andere Gemüt. Aber halt: Sie können cool bleiben. Die Negativzinsen-Nachricht, die diese Woche wie ein Schneeflocke durch die Medien schwebte, ist kein Grund, sich großartig aufzuregen.

Die gesetzliche Rentenversicherung, so wurde vermeldet, muss wie andere Anleger für ihre Rücklagen teils Zinsen zahlen anstatt Zinsen zu erhalten. Im vorigen Jahr habe sie sogenannte negative Vermögenserträge von 49 Millionen Euro ausgewiesen, berichtete das »Handelsblatt«. Schlimm! Politiker unterschiedlicher Couleur waren trotz Bruthitze und Urlaubszeit flugs bereit, Lösungsvorschläge zu unterbreiten, die in ihr politisches Konzept passen. Der CDU-Sozialexperte Peter Weiß verlangte, die Anlagevorschriften für die Rentenversicherung zu lockern. Der rentenpolitische Sprecher der LINKEN-Fraktion, Matthias Birkwald, schlug wiederum vor, Negativzinsen für Sozialkassen zu verbieten.

Den entscheidenden Hinweis gab jedoch der Sozialforscher Gerhard Bosch, der bemerkte, dass die Negativzinsen gerade einmal 0,016 Prozent der gesamten Ausgaben der Rentenversicherung ausmachen. Also alles nicht so schlimm.

In der gesetzlichen Rentenversicherung gilt nämlich das Umlageverfahren. Das Wesen dieses Verfahrens besteht darin, dass die Beiträge, die Beschäftigte und Unternehmen zahlen, sofort an die derzeitigen Rentner ausgezahlt werden. Zinsen, ob hoch, tief oder gar negativ, spielen deshalb in diesem System kaum eine Rolle. Die Rentenversicherung muss lediglich eine - gemessen an den Gesamtausgaben - relativ geringe Rücklage bilden, um bei kurzfristig höheren Ausgaben nicht sofort die Beiträge erhöhen zu müssen. Die einst gepriesene RiesterRente ist hingegen vom Zinsniveau abhängig, weil das Geld über viele Jahre angelegt werden muss.

Und was die vielgescholtene Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank angeht: Es stimmt, dass auch Kleinsparer deswegen so gut wie keine Zinsen erhalten. Andererseits sind viele Kleinsparer abhängig Beschäftigte, für die das Erwerbseinkommen viel wichtiger ist als die Frage, ob sie ein paar mehr Euro auf ihr bisschen Erspartes erhalten. Die Notenbank hat in der Eurokrise die Zinsen gesenkt, um die wirtschaftliche Entwicklung zu stützen. Und das nützt unter den gegebenen Umständen auch abhängig beschäftigten Kleinsparern, weil bei einer florierenden Wirtschaft mehr Menschen einen Job haben und höhere Lohnzuschläge durchsetzbar sind. Eva Roth

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