Perus Präsident kämpft mit der Korruption

Interimsregierungschef Martín Vizcarra will politisches System reformieren

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.

»IDL-Reporteros« heißt das Online-Portal, welches derzeit in Peru immer neue Details über das korrupte Netzwerk zwischen Richtern, Politikern und Unternehmern aufdeckt. Zuletzt stellten die Journalisten um Redaktionsleiter Gustavo Gorriti Tonbandmitschnitte ins Netz, die belegen wie sich Richter, Politiker, Unternehmer und Justizbeamte gegenseitig Gefallen tun - inklusive des Angebots Gerichtsurteile zu manipulieren. Das hat jüngst zur Amtsenthebung von fünf Richtern und drei Justizbeamten geführt.

Im Morgengrauen des 28. Juli - des peruanischen Nationalfeiertages - führten 400 Polizeibeamte eine Großrazzia durch, wobei elf Rechtsanwälte sowie Geschäftsleute und hochrangige Beamte festgenommen wurden. Sie seien, so die Staatsanwälte, Mitglieder einer kriminellen Organisation, die im Justizsystem des Landes aktiv gewesen sei. Das stehe, so Präsident Martín Vizcarra vor dem »Kollaps«. Deshalb hat Vizcarra die Initiative ergriffen, um die Justiz des Landes zu reformieren. Noch am selben Tag umriss Vizcarra in einer Rede an die Nation anlässlich des Unabhängigkeitstages mehrere Gesetzesvorhaben, die für mehr Transparenz im Justizsektor sorgen sollen. Eine Anti-Korruptionsstelle soll im Justizministerium eingerichtet werden, die Sanktionen gegen korrupte Richter verschärft werden und insgesamt sollen die Entscheidungsprozesse an den Gerichten transparenter werden.

Vizcarra setzt auf einer weiteren Ebene an. Perus Präsident hat sich nach mehreren Monaten, in dem ihm Beobachter wie der Historiker Carlos Monge oder Parlamentarier wie Marco Arana vorwarfen, sich zu zögerlich zu verhalten, dazu durchgerungen ein Referendum zu initiieren. Das könnte im Oktober parallel zu den Regionalwahlen durchgeführt werden.

Das Referendum verfolgt das Ziel, die politischen Strukturen Perus zu verändern. Zum einen soll die Bevölkerung abstimmen, ob das 130 Abgeordnete zählende Parlament, der Kongress, wieder eine zweite Kammer erhält. Derzeit verfügt es nur über eine und die wird von der »Fuerza Popular«, der Partei von Keiko Fujimori (Tochter des Ex-Diktators Alberto Fujimori), dominiert. Deren Abgeordnete sind in den vergangenen Monaten durch eine Fülle von Korruptionsskandalen aufgefallen. Das hat dazu beigetragen, dass mehrere große Demonstrationen mit dem Slogan »haut ab« durch Lima zogen.

Zudem sollen die Wähler darüber entscheiden, ob Parlamentarier nicht wie der Präsident oder die Gouverneure der 24 Verwaltungsbezirke nur eine Amtsperiode absolvieren dürfen. Obendrein soll die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten nach neuen Regeln erfolgen, sowie die Parteienfinanzierung neu geregelt werden.

Mit diesen Neuerungen will Vizcarra die Korruption im Land »deutlich verringern«. Das könnte klappen, so die politische Kolumnistin und Radiomoderatorin Rosa María Palacio in ihrer Kolumne in der Tageszeitung »La República«. Präsident Vizcarra habe nämlich den Artikel 206 der Verfassung genau studiert und so die Option gefunden, ein Referendum zur Verfassungsänderung mit nur 66 Stimmen des Parlaments durchzubringen. Normalerweise, so Palacios, seien zwei Drittel der 130 Stimmen nötig und die angesichts der parlamentarischen Mehrheit von »Fuerza Popular« kaum zu kriegen.

Die Abgeordnete von »Fuerza Popular« sind nun in der Zwickmühle: Ein Referendum können sie nur schwer verhindern und das beinhaltet bekanntlich den Vorschlag, dass Abgeordnete nur noch eine Wahlperiode dem Parlament angehören hören. Kommt Vizcarra mit seinen Reformvorhaben durch, könnte das ein erster Schritt sein, um Peru aus der anhaltenden politischen Krise herauszuführen und es wieder regierbar zu machen.

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