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Vom Haken gegangen

Die Imbisskette »Nordsee« kassiert eine Schlappe vor Gericht und muss Betriebsräte anerkennen - ausgestanden ist der Streit damit aber nicht

Es dürfte selten sein, dass sich Beschäftigte über eine Degradierung freuen. Doch bei Europas größter Fischrestaurantkette »Nordsee« ist genau das der Fall. So stellten Arbeitsgerichte in Oberhausen und Neumünster nun fest, dass es sich bei den Filialleitern, die in diesen Regionen im Frühjahr in den Betriebsrat gewählt wurden, mitnichten um leitende Angestellte handelt, und machten damit dem Management einen Strich durch die Rechnung.

Dieses hatte Anfang des Jahres seine Filialleiter überraschend befördert und damit aus Sicht von Betroffenen versucht, die anstehenden Betriebsratswahlen zu torpedieren. Auf einen Schlag hatte »Nordsee« 228 statt 18 leitende Angestellte, die, das ist die Crux, nach dem Betriebsverfassungsgesetz weder im Wahlvorstand arbeiten noch als Betriebsrat gewählt werden dürfen. Mehr als die Hälfte aller Betriebsräte war betroffen.

»Nordsee«-Filialleiter bestreiten, dass sie mit den neuen »Personalvollmachten« - ein Kriterium für den höheren Status -, Mitarbeiter tatsächlich selbstständig einstellen und entlassen können. Auch die Gehälter seien gleich geblieben, dabei müssten Leitende deutlich mehr verdienen, sagen sie. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) sieht daher in der Maßnahme einen Etikettenschwindel und riet dazu, die Wahlen wie geplant durchzuziehen.

»Nordsee« hat daraufhin elf der dreizehn Betriebsratswahlen angefochten, da vermeintlich leitende Angestellte in den Betriebsrat gewählt wurden. Bei dem Unternehmen, das in Deutschland mehr als 200 Filialen mit rund 4800 Beschäftigten betreibt, hat nicht jeder einzelne Fischimbiss eine Interessenvertretung, vielmehr wurden die Restaurants in zwölf Teilregionen zusammengefasst, in denen alle vier Jahre ein neuer Betriebsrat besetzt wird.

Nach den ersten Gerichtsentscheidungen in ihrem Sinne hofft die Gewerkschaft, dass auch die restlichen Verfahren so ausgehen werden. Bis November sind Termine angesetzt. Ein »erster Aufschlag« sei gemacht, so die NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger. »Wir sind zuversichtlich, dass der Angriff auf die Mitbestimmung abgewehrt wird.«

Mit unterschiedlichen Begründungen kamen die Arbeitsgerichte in Neumünster und Oberhausen zu dem Ergebnis, dass die betroffenen Filialleiter keine leitenden Angestellten sind. Entweder sei arbeitsvertraglich keine alleinige Personalverantwortung vereinbart worden oder die Bedeutung der einzelnen Filiale für Betrieb und Unternehmen sei untergeordnet, hieß es in den Beschlüssen.

Die Gewerkschaft vermutet, dass Sparabsichten das Manöver mit motiviert haben könnten, denn viele Filialleiter arbeiten seit Langem bei »Nordsee« und verdienen relativ gut. Durch den Statuswechsel würden sie nicht nur ihr Amt als Betriebsrat verlieren, sondern zugleich den damit verbundenen Kündigungsschutz. Der Verdacht: Perspektivisch sollen sie aus dem Betrieb gedrängt und durch schlechter bezahlte Neulinge ersetzt werden. Seit einem Eigentümerwechsel vor etwa zehn Jahren wird bei »Nordsee« an der Kostenschraube gedreht. Auch der Umgang mit Beschäftigtenvertretungen habe sich seither verschlechtert, berichten Gewerkschafter.

»Nordsee« behält sich vor, Beschwerde bei den zuständigen Landesarbeitsgerichten einzulegen, heißt es aus dem Unternehmen. Die Auseinandersetzung könnte sich somit noch Jahre hinziehen. Das schafft Unsicherheit. Die Betriebsräte sind allerdings bis auf Weiteres im Amt und arbeiten.

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