Ziel ist systematische Isolierung

»Women in Exile« kritisieren nach einer Aktionstour die Zustände in Lagern für Geflüchtete

  • Florian Brand
  • Lesedauer: 3 Min.

»Deutschland und die EU machen sich des Völkermordes mitschuldig«, sagt Jane Wangare wütend. Gemeinsam mit Elizabeth Ngari und Vertreterinnen der Rettungsorganisationen Sea-Watch und Jugend Rettet inszenieren die vier Frauen an diesem Montag im Kieztreff »Südblock« ein Pressetribunal. Die Aktivistinnen der 2002 in Brandenburg ins Leben gerufenen Organisation »Women in Exile« präsentieren die Ergebnisse ihrer bundesweiten Aktionstour.

Zwei Wochen lang reisten die Frauen durch Süddeutschland, um sich mit anderen Initiativen zu vernetzen, gegen Rassismus und diskriminierende Asylgesetze zu demonstrieren sowie Abschiebelager und sogenannte AnkER-Zentren zu besichtigen und mit Geflüchteten zu sprechen. Die Zentren für »Ankunft, Entscheidung, kommunale Verteilung bzw. Rückführung« (AnkER) seien dabei keinesfalls so frei und bunt, wie es die Politik gerne beschreibe, erzählt Ngari.

»Die Lager werden als Städte konzipiert, damit die Menschen sie nicht zu verlassen brauchen«, sagt Ngari. Aufgrund ihres Aufenthaltsstatus‘ werde ihnen daher auch nicht gestattet, diese zu verlassen. Das sei besonders zynisch vor dem Hintergrund, dass manche Politiker*innen diesen Geflüchteten wiederum mangelnden Integrationswillen vorwerfen würden, so Ngari. Beispiele, wie das jüngst umgebaute Zentrum in Bamberg, zeigten, dass die Lager teilweise so groß seien, dass es etwa für Mütter mit Kindern schwierig sei, rechtzeitig zu den Essenszeiten zu erscheinen. Hinzu käme ein enormer psychischer Druck, einerseits wegen der ständig drohenden Abschiebungen, andererseits wegen der fehlenden Privatsphäre. Viele der Frauen und Kinder könnten nachts deswegen nicht schlafen.

In einigen der besuchten Lager seien Schlösser der Türen ausgebaut worden, erzählen die Frauen. Sicherheitskräfte und Polizei könnten so jederzeit die Räume ohne Rücksicht auf Privatsphäre betreten. »In Bamberg haben wir ungewollt einige Zimmer betreten, ohne dass jemand da war, weil die Tür bereits beim Anklopfen aufsprang, bevor wir realisierten, dass sie gar kein Schloss hatten«, erzählt Ngari verschämt. Viele der Geflüchteten hätten zudem kaum Möglichkeiten, professionelle juristische Hilfe in Anspruch zu nehmen. »Die die draußen sind, haben keinen Zugang zu den Camps und die, die drinnen sind, dürfen nicht raus.« sagt Ngari, die selbst längere Zeit in einem Flüchtlingsheim verbracht hat. Die wenigen Jurist*innen, die bereit sind zu helfen, seien zudem hoffnungslos überlastet, so dass diese keine neuen Fälle annähmen.

Ziel der von Bundesheimatminister Horst Seehofer (CSU) gebauten »AnkER«-Zentren sei die systematische Isolierung der Geflüchteten, hieß es. Speziell für Frauen sei die Situation in den Lagern enorm belastend. Viele von ihnen waren auf der Flucht Folter und sexualisierter Gewalt ausgesetzt. In den Lagern gebe es jedoch nicht ausreichend Hilfe, um die Geflüchteten zu therapieren. Speziell in Libyen herrschten noch immer menschenunwürdige Zustände, erzählt Wangare. Sie spricht sich deswegen dagegen aus, Camps an der afrikanischen Küste aufzubauen, um »das Schicksal Geflüchteter unsichtbar für die europäische Öffentlichkeit« zu machen. »Die Politiker wissen, was dort vor Ort passiert und lassen es sehenden Auges zu, dass die Menschen auf der gefährlichen Route ums Leben kommen. Das ist Beihilfe zum Völkermord.«

27 Frauen und 20 Kinder aus Brandenburg waren am 23. Juli von Potsdam aus aufgebrochen, um auf ihrer Aktionstour durch Süddeutschland Workshops, Kundgebungen und Aktionen zu veranstalten - »nd« berichtete.

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