Kinder an der Macht

FEZitty fetzt - finden auch drei Bezirksbürgermeister*innen aus dem Osten

  • Julia Boving
  • Lesedauer: 3 Min.

Gemäß Artikel 3 des FEZitty-Stadtgesetzes sind Erwachsene in der Stadt der Kinder höchstens als Zaungäste geduldet. Aber am Mittwoch machte das Abgeordnetenhaus der Kinderstadt mal eine Ausnahme: Denn es hatte sich hoher Besuch aus der Berliner Lokalpolitik angesagt. Dagmar Pohle (LINKE), Bezirksbürgermeisterin von Marzahn-Hellersdorf, Oliver Igel (SPD), ihr Kollege aus Treptow-Köpenick, sowie Michael Grunst (LINKE), der Bürgermeister des Bezirks Lichtenberg, wurden am Vormittag von der Bürgermeisterin von FEZitty, Josephine Petruske, in Empfang genommen. Auch ohne die eigentlich vorgeschriebenen acht Stunden Arbeit ernannte sie die Gäste zu Ehrenbürger*innen der Stadt.

Schon seit 13 Jahren ist FEZitty ein fester Bestandteil des Ferienprogramms im FEZ Berlin, Europas größtem gemeinnützigen Kinder-, Jugend- und Familienzentrum in der Wuhlheide. Mit seinen Schwimm- und Mehrzweckhallen, Kino- und Konzertsälen, dem Theater sowie dem Raumfahrzentrum bietet das FEZ jeden Sommer auch ein vielfältiges Ferienprogramm für Kinder von 6 bis 14 Jahren an. In FEZitty können sie dabei ein Gefühl dafür bekommen, wie eine Stadt mit allem Drum und Dran organisiert ist. Die Kinder können die Strukturen der Stadt mit prägen, sei es durch nachhaltige Energieversorgung, Forschung, artgerechte Hühnerhaltung oder parlamentarische Vertretung. Arbeit gibt es genug.

»Es herrscht ja beinahe Vollbeschäftigung bei euch.« Dagmar Pohle staunt nicht schlecht, als sie sich die Zahlen im Jobcenter anguckt. »Manchmal wollen die Kinder Aufgaben wie Stadtreinigung nicht gerne übernehmen, aber dann macht es ihnen doch Spaß«, erklärt Josephine.

Bei einem Rundgang durch ihre Stadt erklärt die 14-Jährige ihren Amtskolleg*innen die unterschiedlichen Arbeitsbereiche. Vorbei am Supermarkt und der Volksbank von FEZitty geht es zur Stadtgärtnerei und den Stadtwerken. Der Fokus des FEZ liegt darauf, den Kindern globales Lernen und nachhaltige Entwicklung nahezubringen. Aus diesem Grund bestehen die Blumenbeete in der Gärtnerei aus recycelten Autoreifen, und eine selbstgebaute Pumpe stellt die Wasserversorgung aus dem nahe gelegenen Teich sicher.

Als Oliver Igel die Windräder aus PET-Flaschen entdeckt, fragt wer verwundert, ob man denn damit wirklich Strom erzeugen könne. »Wenn die Windräder an Generatoren angeschlossen werden, dann ja«, antwortet Josephine Petruske stolz. »Aber für die Stromerzeugung haben wir die Tiny Houses auf denen Solarpanels installiert sind.«

Michael Grunst erkundigt sich, ob man die kleinen Häuser auch mieten könnte. »40 Wuhli, das ist die Währung von FEZitty, kostet ein Haus am Tag. Das sind zehn Stunden Arbeit«, antwortet die Bürgermeisterin der Kinderstadt. »Das ist ja Wucher«, entgegnet Grunst. Josephine entschuldigt sich lächelnd und verweist diesbezüglich auf ihre Vorgängerin.

Auch Oliver Igel empfindet das Thema Miete als großes Problem in seinem Bezirk. Dagmar Pohle von der LINKEN interessiert viel mehr, ob denn auch Mädchen in den Stadtwerken beschäftigt seien. Josephine nickt und verweist darauf, dass Mädchen genauso talentiert und interessiert am Bauen und Basteln seien wie Jungs. Beim Apfelkuchen im Ökogarten wird das Thema vertieft. »Wie ist das als Frau in der Politik?«, erkundigt sich die 14-Jährige bei Pohle. »Frauen müssen sich ebenso durchsetzen wie Männer«, erwidert die Politikerin. Sie lobt die Frauenquote. »In den gesellschaftlich fortschrittlicheren Parteien können sich Frauen leichter behaupten, als in AfD, FDP oder CDU«, sagt sie. Grunst pflichtet ihr bei und verweist dabei auf die aktuelle Zusammensetzung des Berliner Abgeordnetenhauses.

Auch in der Kinderstadt hält das Thema Feminismus Einzug in den Alltag. Josephine selbst wurde von einem Stadtbürger damit konfrontiert, dass doch die Arbeit als Bürgermeister*in Männersache sei. Empört organisierte sie daraufhin einen feministischen Tag in FEZitty. Ihre Botschaft lautete: Geschlecht spielt bei der Arbeit keine Rolle. Hohe Mieten, erneuerbare Energien, Frauenquote - diese Baustellen haben FEZitty und Berlin schon mal gemeinsam.

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