- Berlin
- Begegnungsstätte
Berlin-Pankow: Stille Straße bleibt laut
Senioren wollen Bezirkspolitiker zur Unterstützung ihrer Begegnungsstätte bewegen
Ungewöhnliche Töne waren am Dienstagnachmittag im Saal der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Pankow in der Fröbelstraße 7 zu hören. Einige Seniorinnen sangen und spielten auf der Ziehharmonika. Zwei Frauen hielten ein Transparent mit der Parole »Stille Straße wird laut« in die Höhe. Tatsächlich war der erste Tagesordnungspunkt auf der Sitzung des Ausschusses für Soziales, Senior*innen und Gesundheit der BVV Pankow die Zukunft der Senior*innenbegegnungsstätte in der Stillen Straße 10 in dem Ortsteil Pankow.
Die Senior*innen sind im Kampf um ihre Einrichtung nicht allein. Seitdem bekannt ist, dass die Begegnungsstätte zum Jahresende erneut bedroht ist, weil die Volkssolidarität nach den Haushaltskürzungen der letzten Monate die Trägerschaft abgeben muss, wächst die Solidarität. So hatte das Berliner Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn dazu aufgerufen, die Senior*innen zur Ausschusssitzung der BVV zu begleiten. »Die Stille Straße 10 wurde schon vor 13 Jahren weit über die Stadt hinaus zu einem Symbol der Berliner Mieter*innenproteste. Durch eine Besetzung durch die Nutzerinnen konnte die Senioren-Begegnungsstätte gerettet werden«, heißt es im Aufruf des Bündnisses.
Auch Eveline Lämmer vom Vorstand des Fördervereins Stille Straße bezog sich in ihrer Rede vor dem Sozialausschuss auf den damaligen Kampf um die Begegnungsstätte. »Die Senior*innen haben den Abriss des Gebäudes in der Stillen Straße 10 durch die Besetzung verhindert«. Sie erwähnte, dass viele der Senior*innen mit ehrenamtlicher Arbeit dafür gesorgt haben, dass die Arbeit in der Begegnungsstätte in den vergangenen Jahren fortgeführt werden konnte.
Lämmer blickte mit großem Optimismus in die Zukunft: »Die Mitglieder unseres Vereins wollen ab Januar 2026 die Begegnungsstätte in eigener Trägerschaft übernehmen. Wir sind dazu bereit, wir haben dazu die Mittel, und wir werden das schaffen!« An die Politik haben die Senior*innen aber eine klare Forderung: »Wir wollen einen unbefristeten Nutzungsvertrag und wegkommen von den kurzfristigen, auf ein Jahr beschränkten Verträgen«, so Lämmer.
Die ehemalige Lehrerin Brigitte Klotsche gehörte vor 13 Jahren zu den Besetzerinnen. Die mittlerweile 86-Jährige setzt sich noch immer dafür ein, dass die Begegnungsstätte weiterarbeiten kann. Nach der knapp 70-minütigen Aussprache in der Ausschusssitzung sind ihre Gefühle gemischt: »Ich bin optimistisch, aber nicht euphorisch. Schließlich ist ja noch nichts endgültig entschieden worden«, so die Einschätzung von Klotsche.
»Ihnen ist es zu verdanken, dass der Bezirk über das Gebäude noch verfügen kann. Das haben Sie durch die Besetzung erreicht«, sagte Dominique Krössin (Linke), Bezirksstadträtin für Soziales, in Richtung der Besetzer*innen.
Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch (Grüne) verwies darauf, dass Anfang der 50er Jahre der DDR-Staatssicherheitschef Erich Mielke in dem Gebäude wohnte. In der Nachbarschaft hätten neben linken Intellektuellen auch Politiker*innen der DDR gewohnt. Sie regte an, dass daran erinnert werden solle, was in Pankow bislang noch zu wenig geleistet würde. Dafür könnten dann auch Gelder fließen, die der Aufarbeitung der Geschichte des SED-Staats und der Demokratieförderung dienen.
Ein Besucher hatte dafür wenig Verständnis: »Warum kann nicht einfach ein Raum für Jung und Alt gefördert werden, ganz unabhängig von DDR-Aufarbeitung? Und wenn es um Demokratieförderung geht, da haben die Senior*innen mit ihrer Besetzung doch ein gutes Beispiel gegeben!«
Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.