Abschiebeknast kommt im September

Bis zu zehn sogenannte Gefährder sollen in der ehemaligen Jugendhaftanstalt in Lichtenrade unterkommen

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 2 Min.

Im September nimmt Berlin seinen Abschiebeknast in Betrieb. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) verkündete am Dienstag auf der Pressekonferenz des Senats, dass der »Abschiebegewahrsam« für sogenannte Gefährder »am 22. September übergeben und nahtlos genutzt werden kann«. Standort soll die bisherige Jugendhaftanstalt am Kirchhainer Damm in Lichtenrade werden. Die wiederum soll an ihren alten Standort in der Lützowstraße in Tiergarten umziehen.

»Das war uns gemeinsam sehr wichtig«, sagte Müller bezogen auf die Gefährderhaft mit Blick auf die Koalitionspartner SPD, LINKE und Grüne. Die kleineren Koalitionspartner hatten das Vorhaben noch im Dezember kritisiert. In einem Vorstandsbeschluss der Linkspartei hieß es: »Wer glaubt, Terrorismus und Verbrechen mit einer möglichst scharfen Abschiebungspolitik bekämpfen zu können, irrt.« Besser seien Präventionsarbeit sowie konsequente Strafverfolgung in Deutschland. Die damalige flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen Canan Bayram hatte gesagt, sowohl was den Begriff des Gefährders als auch die praktische Umsetzung des Vorhabens angehe, gebe es noch viele offene Fragen. Entziehen könne sich Berlin der Einrichtung der Gefährderhaft aber nicht, das Land sei bundesgesetzlich dazu verpflichtet.

»Mir ist wichtig, dass daraus kein allgemeiner Abschiebeknast gemacht wird«, sagte die Landesvorsitzende der Linkspartei Katina Schubert am Dienstag dem »nd«.

Als Gefährder bezeichnen die Sicherheitsbehörden Personen, die im Verdacht stehen, eine schwere Straftat zu planen. Dieser Verdacht muss laut einer Abstimmung der Leiter der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamtes (BKA) von 2004 durch »bestimmte Tatsachen« begründet sein. Ein juristisch festgelegter Begriff ist der »Gefährder« nicht. Der Berliner Flüchtlingsrat kritisiert, es sei unklar, was mit »bestimmten Tatsachen« gemeint ist.

Ausgelöst worden war die Debatte über die Abschiebung sogenannter Gefährder durch den Terroranschlag auf den Breitscheidplatz im Dezember 2016. Der Tunesier Anis Amri hatte einen Lkw auf den dortigen Weihnachtsmarkt gesteuert und zwölf Menschen getötet. Anschließend stellte sich heraus, dass Amri bereits seit Längerem von der Polizei als Gefährder geführt worden war.

Laut Senatsverwaltung für Inneres soll es in Berlin etwa eine »mittlere zweistellige Anzahl« von Gefährdern geben. Gerüchteweise ist sogar von 70 bis 80 Menschen die Rede. Mehr als die Hälfte dieser Personen hat der Innenverwaltung zufolge die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie könnten daher nicht abgeschoben werden. Wie viele Gefährder mit Öffnung der neuen Haftanstalt im September in Lichtenrade untergebracht werden sollen, ist offen. Insgesamt sollen etwa acht bis zehn Plätze zur Verfügung stehen.

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