Flashmob für den Arbeitskampf

Die Belegschaft des Anne-Frank-Zentrums in Mitte möchte einen Tarifvertrag

  • Philip Blees
  • Lesedauer: 3 Min.

Rund zehn Personen stehen vor dem kleinen Eingang unter einem verrosteten Kunstwerk, das wohl einen Flugsaurier darstellen soll. Einige von ihnen verteilen Flyer. Der auch sonst schon von Touristen überflutete Hinterhof der Hackeschen Höfe, der mit Kneipe, Kunst und Kino lockt, ist bei der »Langen Nacht der Museen« am Samstag noch einmal besser besucht. Viele wollen zum Anne-Frank-Zentrum in den zweiten Stock eines der Gebäude des Komplexes. Doch erst einmal müssen sie an den Beschäftigten vorbei.

Denn die sind momentan alles andere als zufrieden. Seit fast einem Jahr liegen sie mit der Geschäftsführung des Vereins im Clinch. Nun wollen sie mit einem sogenannten Flashmob - einer geplanten Massenaktion, die Aufsehen erregen soll - bei der »Langen Nacht der Museen« auf ihre Forderungen aufmerksam machen. Doch bevor der losgeht, bitten sie die Besucher der Ausstellungsräume um Unterstützung. Diese können sich als Zeichen der Solidarität ein rotes Knicklicht um den Arm binden - viele tun es.

Doch wieso genau sind die Beschäftigten im Arbeitskampf? Die schlechten Arbeitsbedingungen seien der Grund, sagen Jona Meister und Malte Bacher im Gespräch mit dem »nd«. Ihre richtigen Nachnamen wollen sie nicht in der Zeitung lesen. Sie sind beide Mitarbeiter des Anne-Frank-Zentrums - Meister als freie und Bacher als fester Angestellter. »Viele Kollegen haben Kettenbefristungen«, so Bacher. Viele Stellen seien an Projekte gebunden, die aus Fördertöpfen bezahlt werden und nur befristet laufen. Die entsprechenden Mitarbeitere seien in einer besonders prekären Lage. Die Leitung des Anne-Frank-Zentrums gehe mit dem Thema nicht angemessen um. Beispielsweise würden bei Antragstellung auf Fördermittel nicht alle bisherigen Gehälter wieder voll beantragt. Selbst Festangestellte wüssten daher häufig erst nach Ablauf ihrer Verträge, ob diese verlängert oder erneuert würden.

Das ist den 30 Festangestellten und rund 30 freien Mitarbeitern zu prekär. Sie wollen Sicherheit für ihren Job. »Deswegen ist eine wichtige Forderung die Entfristung von allen oder möglichst vielen Kollegen«, sagt Bacher. Und auch der Lohn muss angepasst werden, fordern die Beschäftigten. »Dazu gehört auch eine tarifgebundene Bezahlung« - also die Anbindung an den Tarifvertrag der Länder. Das würde vor allen Dingen den freien Mitarbeitern deutlich mehr Geld bringen.

Doch nicht nur das Finanzielle ist den Beschäftigten wichtig: »Die Qualität der Arbeit liegt den Leuten am Herzen«, so Meister. Diese steige, wenn sichere und gut bezahlte Arbeitsverhältnisse geschaffen würden. Das wäre den Mitarbeitern sehr wichtig, da sie sich alle bewusst für das Thema entschieden haben. Gerade in der jetzigen politischen Situation sei die Arbeit des Zentrums wichtig. »Es gibt einen extremen Ruck nach rechts.«

Die Workshops und Projekte des Anne-Frank-Zentrums mit Kindern und Jugendlichen, aber auch die Ausstellung über das Leben von Anne Frank wirkten genau dagegen. Dass die Qualität unter den schlechten Arbeitsbedingungen leidet, sieht auch der ver.di-Gewerkschaftssekretär André Pollmann, der die Tarifverhandlungen begleitet: »Wir haben mitgeteilt, was für uns die Kernpunkte sind«, sagt er dem »nd«. Das seien Entfristung, Eingruppierung, Tarifbindung und - den Beschäftigten besonders wichtig - die Verbesserung der Bedingungen für die freien Mitarbeiter. Bisher diskutierten die verschiedenen Parteien miteinander, zu verhärteten Fronten sei es noch nicht gekommen. Am 3. September sollen die Tarifverhandlungen weitergehen. An dem Tag müsse der Arbeitgeber mitteilen, welche Forderungen der Belegschaft er übernimmt. Am nächsten Tag soll das Ergebnis den übrigen Gewerkschaftsmitgliedern im Betrieb vorgestellt werden. »Da wird dann entschieden, ob wir in den Warnstreik gehen oder nicht.« Insgesamt ist der Gewerkschaftssekretär positiv gestimmt: Der Organisationsgrad sei hoch und die Motivation gegeben.

Das merkt man dann auch bei der Aktion. In den Ausstellungsräumen des Anne-Frank-Zentrums tun die Beschäftigten weiter lautstark ihre Forderungen kund und verteilen Solidaritäts-Armbänder. Viele Besucher klatschen, als die Arbeitskämpfer den Raum verlassen. Diese rufen: »Tarifvertrag jetzt!«

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