Drehtür ins Gefängnis stoppen

Bremen bietet notorischen »Schwarzfahrern« Ausweg

  • Cäcilie Bachmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit Jahren arbeitet die Linksfraktion im Bremer Landtag daran, Gefängnisstrafen für sogenannte Schwarzfahrer, die ihr Bußgeld nicht zahlen, zu vermeiden. Damit ist die LINKE auf einer Linie mit dem Deutschen Richterbund, der unlängst forderte, »Schwarzfahren«, was offiziell Beförderungserschleichung heißt, nicht mehr als Straftat, sondern als Ordnungswidrigkeit zu werten. Der Richterbund und nun auch Bremens LINKE bekamen eine Abfuhr. In der Bremischen Bürgerschaft gibt es keine Mehrheit für die Idee.

Die Bremer FDP argumentiert, auch für Ordnungswidrigkeiten gebe es Geldstrafen, die aber nicht an die finanzielle Lage der Angeklagten angepasst und damit sogar ungünstiger für Mittellose seien. Außerdem sei »Schwarzfahren« ein »erheblich sozial schädigendes Verhalten«, das nicht entkriminalisiert werden sollte. Auch der Vorschlag, den Kreis der Bezieher des stark verbilligten »Stadtticket Extra« auszuweiten, stößt bei einigen auf Ablehnung. Dieses Projekt einer günstigen Monatskarte für »Schwarzfahrer«, die ständig erwischt werden und die Strafe nicht zahlen, wurde vor sechs Jahren gestartet. Inzwischen werden monatlich 50 solcher Tickets ausgegeben, die 10,50 Euro kosten und für Busse und Bahnen in ganz Bremen gelten. Die CDU brachte bereits bei der Einführung dieses Sondertickets das Gerechtigkeits-Argument. Denn es gibt in der Hansestadt für arme Menschen bereits eine vergünstigte Monatskarte, die allerdings in etwa das Dreifache kostet.

Dennoch beschloss jetzt der Rechtsausschuss der Bremischen Bürgerschaft, 2019 die Zahl der »Stadttickets Extra« auf 70 zu erhöhen. Justizsenator Martin Günthner (SPD) ließ per Pressemitteilung erklären, dass es dabei um Menschen gehe, die vielerlei Schwierigkeiten hätten - etwa Drogenabhängigkeit, Obdachlosigkeit und oder psychische Probleme. Eben »eine gesundheitlich und sozial ausweglose Lage«, die die Betroffenen zu Drehtür-Kandidaten im Gefängnis mache.

In Bremen kann statt einer Geldbuße für Beförderungserschleichung ein in Tagessätze umgerechneter Ersatzdienst in einer öffentlichen oder sozialen Einrichtung geleistet werden. Aber die in die Gruppe der Extra-Tickets aufgenommenen »Schwarzfahrer« sind eher »Kundschaft« sozialer oder psychischer Einrichtungen, brauchen Hilfe statt, dass sie helfen könnten.

Das Justizressort argumentiert auch mit den hohen Kosten für Gefängnisaufenthalte. Das komplette Programm »Stadtticket Extra« koste bei 70 Teilnehmern pro Jahr etwa 7500 Euro und damit deutlich weniger als Haftstrafen für die nicht zahlenden »Beförderungserschleicher«. Hinzu kommen noch die Klagen der Gewerkschaft der Vollzugsbeamten, die Bremens Gefängnisse als teilweise überbelegt einstuft. Die Abwicklung und Ausgabe der Tickets ist so geregelt, dass die am Programm Beteiligten bei der monatlichen Abholung in Kontakt mit den Sozialen Diensten der Justiz im Lande Bremen kommen. Weil es sich meist um Menschen handelt, die sonst alle Hilfsangebote und Versuche der Kontaktaufnahme ablehnen, gebe es hier die Möglichkeit, schrittweise Vertrauen aufzubauen. Auch dieser Effekt wird im Justizressort als großes Plus des Projekts gesehen.

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