Aufstehen - irgendwie, irgendwo, irgendwann

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Vor etwas mehr als 40 Jahren entstand in Großbritannien die Punk-Bewegung - nicht nur als Musikrichtung, sondern als eher unpolitischer Ausdruck einer Lebenshaltung von Jugendlichen, die den Institutionen, den Erwachsenen, ja der ganzen Welt nicht mehr vertrauten und großspurig deren Zerstörung ankündigten. Der Punk-Bewegung folgten schließlich Ableger, die sich als Friedensbewegung, Anti-AKW-Bewegung oder Umweltbewegung tarnten; ihnen allen gemein war eine Lebenseinstellung, die im Ausruf »No Future« ihren Ausdruck fand. Von apokalyptischen Zukunftsszenarien wurde jedoch mehr geschwärmt, als dass man sich vor ihnen ängstigte. Filme wie »Mad Max« oder »Die Klapperschlange« wurden mit einer frivolen Lust am Untergang gesehen, nicht mit der Angst davor, der Weltuntergang könnte je Wirklichkeit werden.

Das mag viele Gründe haben, einer ist sicherlich die Jugend selbst. Ihre optimistische Natur kann die Jugend noch in ihren pessimistischsten Äußerungen nie ganz leugnen. Es gibt immer ein Später - irgendwie, irgendwo, irgendwann (frei nach Nena). Das ist der Vorteil der Jugend: Sie verzeiht sich selbst ihren Pessimismus. Je älter wir aber werden, desto mehr verwandelt sich der hoffnungsfrohe Pessimismus der Jugend in die beständige Beschwörung des Weltuntergangs, von dem man hofft, er möge eintreten, nur damit man sagen kann: Ich hatte Recht!

»Das Paradies ist verriegelt und der Cherub hinter uns; wir müssen die Reise um die Welt machen und sehen, ob es vielleicht von hinten irgendwo wieder offen ist«, schrieb der Dichter Heinrich von Kleist vor mehr als 200 Jahren. Da war er 33 Jahre alt. Das (die Reise um die Welt) war kein schlechter Rat, aber im Falle von Kleist ein vergeblicher - ein Jahr später hatte Kleist die Hoffnung aufgegeben und beging Suizid.

Anfang dieser Woche gründete sich in Deutschland eine Bewegung. Sie nennt sich »Aufstehen«. Das kann als Aufforderung verstanden werden, könnte aber auch Mahnung oder ein verzweifelter Appell sein. Die Linkspartei-Politikerin Sahra Wagenknecht hat sie initiiert. Bei der Vorstellung der Bewegung warnte Wagenknecht, wenn man jetzt nicht handele und der AfD das Feld überlasse, dann werde dieses Land in wenigen Jahren nicht mehr zu erkennen sein. Diese Warnung klang nicht nach Punk, nicht wie »No Future«, sondern eher nach Heinrich von Kleist. jam Foto: imago/Leemage

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