Schreiben - mit geradezu manischer Besessenheit

Zum Tode von Horst Bosetzky alias -ky, der eine neue Betrachtungsweise in den westdeutschen Krimi einbrachte

  • Jan Eik
  • Lesedauer: 3 Min.

Er hat gekämpft und er hat verloren. Geschwächt von Krankheiten, Operationen und Therapien, ist Horst Bosetzky am Sonntagabend in Berlin gestorben. Ein Verlust, der seiner Familie, seinen Freunden, Kollegen und sicherlich vielen seiner Leser*innen sehr nahe geht. An seinem 80. Geburtstag im Februar hofften alle noch für ihn, der schon mehr als eine gesundheitliche Krise überstanden hatte. Als ausdauernder Jogger, schlanker Nichtraucher und -trinker mit gesunder Lebensweise brachte er die besten Voraussetzungen mit.

Er war ein überaus vielseitiger Mensch, offen, kritisch, und dabei keine notwendige Auseinandersetzung scheuend, ein Berliner eben - mit Herz und, wenn es sein musste, mit Schnauze. Nicht von ungefähr ist eins seiner späten Bücher ein Zille-Roman. Womit die Beschäftigung genannt ist, die Horst Bosetzky mit geradezu manischer Besessenheit bis in seine letzten Lebensmonate ausübte: das Schreiben. Selten hat ein Autor dabei so viel von der eigenen Biografie preisgegeben wie er. In Neukölln aufgewachsen, überstand er die später betrühmt-berüchtigte Rütli-Schule, absolvierte eine Lehre als Industriekaufmann, um anschließend Soziologie, Volks- und Betriebswirtschaft und Psychologie zu studieren. Nach der Promotion arbeitete er - inzwischen SPD-Genosse - in der Bremer Verwaltung. Zu Bramme verfremdet, spielte die Stadt in seinen Kriminalromanen eine Rolle. Bereits sein Studium hatte der junge Soziologe nämlich mit dem Schreiben von Krimiheften finanziert. 1971 erschien bei Rowohlt der erste von zahlreichen Kriminalromanen eines Autors, der sich hinter dem Kürzel -ky verbarg und eine völlig neue Betrachtungsweise in den westdeutschen Krimi einbrachte. Der Sozio-Krimi war geboren, und alle Welt suchte das Rätsel um -ky zu lösen. Erst zehn Jahre später gab sich Bosetzky zu erkennen, inzwischen Professor für Soziologie an der Berliner Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege und Autor viel beachteter wissenschaftlicher Arbeiten.

Im Westberlin der achtziger Jahre wurde er zu einer populären Figur. Jeder kannte den bekennenden 68er mit dem silbergrauen Pferdeschwanz, der sich nicht scheute, das Betteldiplom abzulegen und auch sonst gerne gegen den Stachel zu löcken. Und dabei unermüdlich zu schreiben. Seine Bücher füllen ganze Regale. Gemeinsam mit dem im Januar 2018 verstorbenen Leipziger Autor Steffen Mohr verfasste er 1988/89 den ersten deutsch-deutschen Krimi. Fundierte Beiträge zur Berliner Verkehrsgeschichte und die zehnbändige Familiensaga der Bosetzky-Matuschewskis, 1995 mit »Brennholz für Kartoffelschalen« begonnen, fanden auch außerhalb der Krimi-Szene eine begeisterte Leserschaft. Dokumentar-Krimis und biografische Romane folgten, von ihm stammten Idee und Personal um den Kommissar Kappe in der Reihe »Es geschah in Berlin«. Die deutschsprachigen Krimiautoren wählten ihn zehn Jahre lang zu ihrem Sprecher, anschließend übernahm er für 14 Jahre den Vorsitz im Berliner Schriftstellerverband.

Schreiben war sein Leben. Noch bei unseren letzten Zusammenkünften sprach er über einen Sammelband mit seinen organisationswissenschaftlichen Arbeiten, berieten wir letzte Korrekturen für die Neufassung des Berlin-Lexikons, mit dem unsere direkte Zusammenarbeit vor zwanzig Jahren begonnen hatte. Wir vermissen ihn sehr, unseren Hotte. Nur seine Bücher können uns ein wenig über den Verlust hinwegtrösten.

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