Justizskandal und Protest zum Jahrestag
Tausende Katalanen erinnern an Polizeiaktion gegen Unabhängigkeitsreferendum und die Gefangenen
Genau vor einem Jahr soll die katalanische Rebellion begonnen haben. Deshalb veröffentlichte »eldiario« am Donnerstag Auszüge aus einem Chat spanischer Richter, der ihre Vorverurteilungen belegt. Die Proteste am Jahrestag der Stürmung katalanischer Ministerien durch die paramilitärische Guardia Civil hat dieser Skandal allerdings beflügelt. In diversen Orten Kataloniens gingen die Menschen auf die Straße. Den bedeutsamsten Protest gab es vor dem Wirtschaftsministerium in Barcelona. Tausende forderten dort die Freiheit Kataloniens und der politischen Gefangenen.
Marcel Mauri, Vizepräsident von »Òmnium Cultural« erklärte, der neue spanische Regierungschef solle nicht mit »Dialog« kommen, solange das Ministerium für die Staatsanwaltschaft absurde Anschuldigungen aufrechterhält. Davon ist auch Òmnium-Präsident Jordi Cuixart betroffen, seit fast einem Jahr inhaftiert. Die Sozialdemokraten machten sich so »zu Komplizen der Rechtsextremen, die demokratische Frauen und Männer« kriminalisieren, sagte Mauri. Für Elisenda Paluzie, Präsidentin des Katalanischen Nationalkongresses (ANC), deren Vorgänger Jordi Sànchez auch inhaftiert ist, wurde vor einem Jahr deutlich, »dass der Staat zu allem bereit war«, um das geplante Unabhängigkeitsreferendum zu verhindern.
Weil fünf Jeeps der Guardia Civil unter der Last zahlloser Demonstranten zusammenbrachen, strickte die Justiz zunächst Anklagen wegen Aufruhr, die auf eine »gewaltsame öffentliche Erhebung« (Rebellion) ausgeweitet wurden. Beweise dafür gibt es nicht, weshalb Deutschland, Belgien, die Schweiz oder Großbritannien nicht bereit sind, auf Basis dieser Anklagen katalanische Exilpolitiker auszuliefern. In offiziellen Anschuldigungen zeigen sich oft politische statt juristische Argumentationen. Dass etliche Richter ihre Urteile längst gefällt haben, zeigt sich in einem von »eldiario« veröffentlichten Chat. Sie setzen darin eine demokratisch gewählte Regierung, die friedlich vorging, mit dem »Nazi-Regime« gleich, sprechen ihrerseits im Neonazi-Jargon von einem »infektiösen Virus« und rufen zur Niederschlagung der katalanischen Bewegung auf: »Der Staatsstreich wird mit Siegern und Besiegten abgeschlossen.« Ein Richter versteigt sich zur Behauptung, die Unabhängigkeitsbewegung habe »ein Blutbad« gewollt. Dabei seien spanische Sicherheitskräfte mit Gewalt in einer »militärähnlichen Operation« gegen friedliche Bürger vorgegangen, wie internationale Beobachter bezeugt haben.
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