• Politik
  • Krise der Großen Koalition

Neuer Posten für Maaßen gesucht

Koalitionskreise: Verfassungsschutzchef wird doch nicht zum Staatssekretär befördert / Offenbar soll er Sicherheitsbeauftragter werden

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Der bisherige Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen soll nun doch offenbar nicht zum Staatssekretär im Innenministerium befördert werden. Dies erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am frühen Sonntagabend aus Koalitionskreisen. Damit ist offenbar ein zentraler Streitpunkt zwischen CDU, CSU und SPD beigelegt - und das schon vor einem für Sonntagabend geplanten Spitzentreffen im Kanzleramt. Welchen Posten Maaßen in Zukunft ausüben wird, war zunächst unklar. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll er künftig als Sonderbeauftragter im Bundesinnenministerium für innere Sicherheit sowie die Verbindung zu internationalen Partnerdiensten zuständig sein, hieß es aus Koalitionskreisen. Maaßen werde dabei in der gleichen Gehaltsstufe wie bisher bleiben.

Nach tagelangem Ringen hatte sich ein Ende des Streits am frühen Abend abgezeichnet. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte der dpa: »Ich denke, die Chancen auf Einigung stehen gut.«

Am Dienstag hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Seehofer und SPD-Chefin Andrea Nahles darauf verständigt, dass Maaßen Innenstaatssekretär werden solle. Es wäre eine Beförderung mit steigenden Bezügen für den Spitzenbeamten gewesen, dessen Ablösung die SPD nach umstrittenen Äußerungen zu rechten Ausschreitungen in Chemnitz verlangt hatte. In der SPD hatte die Entscheidung eine Welle der Empörung ausgelöst, auch in der CDU und der CSU hatte sie für Unverständnis gesorgt.

Bei einem mittlerweile dritten Spitzentreffen im Kanzleramt sollte am Abend die Entscheidung über Maaßens Zukunft fallen. Wie es hieß, soll Maaßen möglicherweise Abteilungsleiter im Innenressort von Seehofer werden oder ein Beauftragter. Eine Gehaltserhöhung solle es jedenfalls nicht geben. Mehrere Medien berichteten ebenfalls darüber.

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte dem Treffen in einer Mail an die CDU-Mitglieder eine große Bedeutung für den Fortbestand der Koalition zugemessen. Es gehe auch um die Klärung der Frage, »ob sich alle Koalitionsparteien weiter hinter dem gemeinsamen Auftrag versammeln können«, so Kramp-Karrenbauer.

Merkel hatte am Freitag angekündigt, im Laufe des Wochenendes eine »gemeinsame, tragfähige Lösung« finden zu wollen. Nahles hatte zuvor neue Gespräche verlangt. Dem abendlichen Treffen gingen Telefonate zwischen den Beteiligten voraus. Mit Spannung wurde vor allem die Reaktion der SPD erwartet. Am Montag muss sich Nahles dem SPD-Vorstand und der SPD-Bundestagsfraktion stellen.

Seehofer hatte in der »Bild am Sonntag« klargestellt, er werde Maaßen nicht entlassen. Der SPD warf Seehofer eine Kampagne gegen Maaßen vor. »Ich habe eine Fürsorgepflicht für meine Mitarbeiter und entlasse sie nicht, weil die politische und öffentliche Stimmung gegen sie ist.« Er habe Nahles bereits drei Vorschläge gemacht - auch eine weitere Verwendung »bei einer anderen der 17 Bundes-Oberbehörden wie zum Beispiel im Bundeskriminalamt« oder eine Tätigkeit als Beauftragter für Sicherheit und internationale Zusammenarbeit im Innenministerium. Ein weiteres Spitzentreffen werde es nicht ohne vorheriges Lösungsszenario geben.

Nahles betonte in dem Blatt, als Verfassungsschutzpräsident sei Maaßen nicht mehr tragbar. »Es muss eine Lösung geben, die nicht das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen verletzt.« Die Regierung werde nicht an Maaßen scheitern. Wenn aber gegenseitiges Vertrauen und Verlässlichkeit nicht mehr gegeben sei, »scheitert die Regierung«.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki forderte eine Neuwahl. »Dass die Koalition wegen zweier dummer Sätze des Leiters einer nachgeordneten Behörde an den Rand ihrer Existenz gebracht wird, zeigt deutlich, dass diese Verbindung tieferliegende Probleme hat«, sagte Kubicki der »Augsburger Allgemeinen« (Montag). »Es wird Zeit, die Wählerinnen und Wähler zu befragen«, fügte Kubicki hinzu.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) warnte Union und SPD vor dem Bruch der Regierungskoalition. Der CDU-Vize kritisierte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe, dass »mehr oder weniger bedeutende Persönlichkeiten der Sozialdemokratie« ununterbrochen forderten, aus der Koalition wieder auszusteigen. Anderseits neige auch CSU-Chef Seehofer zu »einsamen, überraschenden Entscheidungen«.

Der Streit über Maaßen - der wegen seiner umstrittenen Äußerungen zu den rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz bundesweit in die Kritik geraten war - hat nach Einschätzung der meisten Bürger die Vertrauensbasis in der Koalition bereits zerstört. 67 Prozent der Deutschen glauben nicht mehr, dass die Parteichefs von CDU, CSU und SPD noch vertrauensvoll zusammenarbeiten können, wie eine Emnid-Umfrage im Auftrag der »BamS« zeigt. Lediglich 27 Prozent trauen das den Parteivorsitzenden demnach noch zu.

Auch in der Sonntagsfrage verlieren Union und SPD demnach weiter: CDU und CSU büßen zwei Punkte ein und fallen auf nur noch 28 Prozent. Die SPD verliert einen Punkt und kommt auf 17 Prozent. Damit käme die große Koalition gemeinsam auf 45 Prozent und hätte so wenig Zustimmung beim Emnid-Trend wie nie zuvor.

Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger appellierte an die drei Parteien, der Koalitionskrise ein Ende zu setzen. »Es wird immer schwieriger, den europäischen Partnern zu erklären, warum sich die große Koalition in immer neue Konflikte verstrickt, die eigentlich von geringer Bedeutung sind«, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal