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Nichts wird gut
David Alden präsentiert an der Flämischen Oper in Gent einen düster-hellsichtigen »Lohengrin«
Wagners »Lohengrin« kann man - wie jede andere Oper auch - so oder auch ganz anders sehen: als ein romantisches Märchen in Blau über einen Zauberritter und eine neugierige Maid - wie in diesen Sommer als Neo-Romantik in Bayreuth. Oder als ein Stück, das es darüber hinaus gewaltig in sich hat. Vor allem, weil es da Passagen gibt, die sich wie ein Oper gewordenes Säbelrasseln anhören. Wenn der Chor in Habachtstellung »Für deutsches Land, das deutsche Schwert« herausdonnert, dann muss man das geradezu nationalistisch (miss-)verstehen. Oder sich eben dazu verhalten.
Regisseur David Alden und sein Team haben jetzt in ihrer mit London koproduzierten Inszenierung an der Flämischen Oper in Gent dieser Passage einen geradezu albtraumhaften Rahmen verpasst. Aus dem Schnürboden hängen zig Fahnen mit einem martialisch stilisierten Schwan. Darunter senken Soldaten mit Stahlhelmen ihre Speere (wie die zeitlos personifizierte militärische Gewalt schlechthin) bedrohlich in Richtung Zuschauer. Lohengrin, der Wunderritter, den niemand nach »Nam’ und Art« fragen darf, bekommt von König Heinrich für ein wenig Hokuspokus die Macht in Brabant. Dieser große Unbekannte (oder Blender?) verpasst dem Staat das neue Logo der Macht: den zackig stilisierten Schwan für die Fahnen und als Skulptur auf einer Großstele. Vor allem aber profitiert er von der Manipulierbarkeit der Massen. Dass diese Inszenierung an dem im »Lohengrin« geradezu exemplarischen Opportunismus der Chöre ansetzt, verschafft ihr die hellsichtigsten und faszinierendsten Momente. Auch wegen der präzisen Eloquenz mit der hier glasklar gesungen wird.
Wenn die Massen vor dem Gottesgericht offensichtlich dem Fremden mehr trauen als ihrem bisherigen Führungspersonal (Telramund und seine Frau gehören zur alten Brabanter Elite), erinnert das an die prominenten Schaumschläger von heute. Als der Kampf zwischen Lohengrin und Telramund zugunsten Lohengrins ausgeht, verwandelt sich das Volk im Handumdrehen in einen Mob, der auf den Grafen Telramund und seine Gattin Ortrud (ihres Zeichens Königstochter mit Migrationshintergrund und »falscher« Religion) losgeht und die beiden beinahe lyncht. Über den plötzlich aufgetauchten Heilsbringer weiß das Volk nichts. Umso eifriger unterwerfen die Massen sich ihm. Wagners Musik meint es zwar demonstrativ gut mit ihm, aber nüchtern betrachtet könnte man das durchaus auch für Blendwerk halten.
Wenn der Chor dann im Zweiten Akt seinen großen Auftritt mit einstudierten kollektiven Jubel-Gesten bekräftigt, wie es sie heute nur noch in Nordkorea gibt, und bei jeder Atempause kraftlos wieder in sich zusammensinkt, dann wird klar, dass Alden mit seinem »Lohengrin« 2018 auf eine Dystopie im Sinne und in der Ästhetik von Orwells »1984« zielt. Das Erschreckende und Gutgemachte daran ist, dass er dafür keinerlei direkte Vergegenwärtigung braucht, sondern sich die Bilder dazu von selbst einstellen. Am Ende kriecht unter den herabgefallenen Fahnen der neue Herzog hervor - und alle wissen, dass hier nichts gut werden wird.
Mit diesem düster packenden »Lohengrin« misst sich die Flämische Oper mit der La Monnaie Oper in Brüssel, wo Olivier Py vor Kurzem eine überdeutliche Lehrstunde in Deutscher Geschichte aus Wagners Meisterwerk gemacht hatte. Aus dem ordentlich singenden Ensemble ragt die erfahrene Wagner-Heroine Iréne Theorin mit ihrer ersten Ortrud an der Seite des kraftvollen Telramund (Craig Colclough) heraus. Liene Kinča (Elsa) und Zoran Todorovich (Lohengrin) schlagen sich wacker. Den Heerrufer Vincenzo Neri darf man als Entdeckung verbuchen. Im Graben lässt Alejo Pérez gerne mal die Zügel schießen, kriegt aber das Martialische in den Griff.
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