Terroralarm

Von Iris Rapoport , Boston und Berlin

  • Iris Rapoport
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie sind so gefährlich, dass sie weltweit ständig unter Beobachtung stehen: die Grippeviren.

Wenn sie uns befallen, wollen sie lediglich eines, sich rasch vermehren. Doch da sie nur aus Erbmaterial und ein paar Proteinen bestehen, benötigen sie dazu fremde Zellen als Wirt.

Ein besonders aggressives Grippevirus wird schlicht A genannt. Es befällt nicht nur Menschen, sondern auch Vögel und Tiere. Dabei kann es geschehen, dass sich unterschiedliche Viren treffen und Erbmaterial austauschen. Das geht bei ihrem aus mehreren RNA-Molekülen bestehenden Genom ganz einfach. Antigen-Shift nennen Fachleute diesen Vorgang, der zu einer Pandemie führen kann. Glücklicherweise kommt es nicht oft so schlimm.

B-Viren wandern nicht durch die Tierwelt und sind für Menschen deshalb minder gefährlich. Dennoch hat uns in der letzten Grippesaison ausgerechnet ein B-Virus unerwartet stark attackiert.

Ob A oder B, beiden Virustypen ist gemein, dass bei der Vervielfältigung ihrer RNA viele Fehler auftreten, die nicht korrigiert werden können. Bei ihrer rasanten Vermehrung häufen sich dadurch schnell Mutationen an. Die nennt man zu Recht Fluchtmutationen, denn als Folge werden Proteine so stark verändert, dass Antikörper sie nicht mehr erkennen. Antigen-Drift heißt dieses Geschehen. Es ist auch die Ursache, warum wir mehrmals an Grippe erkranken können.

Antigene sind Stoffe, die die Antikörperbildung auslösen. Beim Grippevirus sind das zwei Hüllproteine, die wie Spikes aus den Viren herausragen. Das eine, Hämagglutinin (H) genannt, ist für das Eindringen in die Wirtszelle erforderlich. Das andere, ein Enzym namens Neuraminidase (N), ermöglicht die Freisetzung der neuen Viren. Die Neuraminidase ist deshalb auch Ziel von Medikamenten, die die Virusausbreitung eindämmen sollen. Doch auch denen setzen die Fluchtmutationen Grenzen.

Die Nummerierung der verschiedenen Hämagglutinine und Neuraminidasen wird zur Unterteilung des A-Typs genutzt. So war es ein A/H1N1 Virus, das vor genau 100 Jahren die verheerende Spanische Grippe verursachte.

Es ist fast Oktober. Kein Zweifel, der nächste Angriff der Grippeerreger dürfte bald beginnen. Und obwohl sie in über 100 Ländern beobachtet werden, ist eine sichere Vorhersage, welche Viren wo und wie lange zirkulieren werden, unmöglich. Die WHO warnt - nach bestem Wissen - in diesem Jahr vor zwei A- und zwei B-Typen. Der vorjährige Yamagata-Typ ist mit dabei. Davon ausgehend hat die Ständige Impfkommission (STIKO) für Deutschland einen Vierfachimpfstoff empfohlen. Der wird seit Monaten auf Hochtouren produziert.

Doch lohnt es bei all den Unwägbarkeiten sich impfen zu lassen? Ganz klar: Ja! Bei der Häufigkeit der Erkrankung bedeuten selbst magere 40 bis 60 Prozent Erfolgsquote schnell, dass Zehntausende und mehr geschützt sind. Und bei jenen, die es trotzdem erwischt, sind die Krankheitsverläufe meist schwächer und Todesfälle seltener. Impfung ist noch immer der beste Schutz, den es gibt vor den unberechenbaren Terrorviren.

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