Erst Geld, dann Feminismus

Männer-Verbot in dem Shisha-Café »Lady Hookah« - ist das Fortschritt oder Rückschritt?

  • Asmaa Yousouf
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Wände sind mit rotem Samt beklebt, schwere königsblaue Vorhänge verdecken den Blick durch Eingangstür und Fenster. Verschleierte Frauen, Anfang zwanzig, Araberinnen und Nicht-Araberinnen, sitzen auf roten Sofas im ersten Frauen-Shisha-Café Berlins, wenn nicht Deutschlands.

Im ersten Moment dachte ich, dass es hier um Gemütlichkeit geht. Ich fühlte mich im »Lady Hookah« gleich zu Hause. Mohamed Armia, der 38-jährige Besitzer, der mir den Ort zeigt, nickt. Das war auch seine Idee: »Ich habe eine schöne Cousine. Nach jedem Café-Besuch beschwerte sie sich über die Blicke der Männer«, sagt der Berliner mit palästinensischen Wurzeln.

Die Ansichten der Männer sind mir persönlich egal, sie halten mich nie von etwas ab: Ich gehe in gemischte Fitnessstudios und Cafés. Doch dazu hat ja jede Frau ihre eigene Meinung. Wie zum Beispiel die 20-jährige Fatma, die ich im »Lady Hookah« antreffe. »Einige Männer lehnen den Anblick einer Shisha rauchenden Frau ab. Besonders, wenn sie Kopftuch trägt. Wenn ich laut lache, sehen sie mich seltsam an«, sagt sie. In der neuen Bar kann sie ungestört rauchen, lachen und Cocktails trinken. Männer bleiben draußen.

Die Atmosphäre und das Design des Cafés erinnern mich an die Zeit der Harems. Eine Zeit, in der Männer die Herrschaft über Frauen hatten. Als Ausgleich für ihre gestohlene Freiheit bekamen die Frauen bequeme Kissen, Edelsteine und Kleidung aus Seide. Im Gegenzug mussten sie sich den Männern vollständig unterwerfen und durften nicht mit ihnen konkurrieren. Sind wir in Deutschland oder im Iran oder Saudi-Arabien? Ermutigt dieses Café nicht genau die jenigen, die ihren Frauen verbieten, an Orte zu gehen, an denen auch andere Männer sind?

Besitzer Armia nickt wieder. Auch das gehört zu seiner Idee: »Hier haben die Frauen dieser Konservativen nun einen Ort, an dem sie ausgehen können«, sagt er. Verfolgt er also eine konservative Agenda? »Nein, ich habe diese Bar nicht für zurückgebliebene Männer gegründet. Sondern um eine Gemeinschaft zu bilden, in der sich Frauen wohl fühlen.« In Saudi-Arabien säßen Männer in einem Café auf der linken, Frauen auf der rechten Seite. Kreuzberg sei anders. Hier gebe es bereits jetzt alle möglichen Varianten - und mit der Shisha-Bar gebe es nun eine weitere Option. Gleich nebenan gibt es ein gemischtes Café. Jeder könne dort hingehen, wo es ihm oder ihr gefalle. »In Saudi-Arabien aber schreibt das Regime Geschlechtertrennung in den Cafés vor«, sagt Armia.

Ist der Barbesitzer also doch ein fortschrittlicher Mensch? Ich schaue auf den Fernsehbildschirm, der über mir hängt, und schüttele den Kopf. Es läuft das Video eines amerikanischen Rappers. Mackergehabe. Frauen umräkeln den reichen Muskelprotz. So etwas nehme ich persönlich: Schon oft habe ich türkische Cafés in Berlin verlassen, weil ich diese Bilder nicht ertrage. Armia war das bislang nicht aufgefallen, aber er ist ja auch nur außerhalb der Geschäftszeiten hier. Sonst ist es ihm - wie allen anderen Männern - der Zutritt verboten. »Ich verspreche, dass wir besser achtgeben«, sagt Armia. »Mein Ziel ist auch, dass Frauen sich nicht wegen ihres Geschlechts diskriminiert fühlen.«

Die Toiletten sind ein Traum: Hier findet Frau alles, was sie benötigen könnte - Deo, Binden. Doch was ist dieses ovale Becken in der Ecke? Eine große Vase? Ein Urinal? Vielleicht ist der Besitzer noch fortschrittlicher als gedacht? Setzt er sich auch für Transgenderrechte ein? Er schaut mich zweifelnd an: »Männern ist der Zutritt ausnahmslos verboten, auch wenn sie sich als Frau fühlen oder Frauenkleider tragen«, sagt Armia. Das Urinal steht auf seiner Liste. Es wird abgebaut.

Bevor ich gehe, erzählt mir Mohamed Armia noch enthusiastisch von seinen Plänen, eine Kette von Shisha-Cafés für Frauen in ganz Deutschland zu eröffnen. Das lässt mich aufhorchen: Ich habe noch immer nicht verstanden, um was es ihm eigentlich geht. Ist es wirklich sein Ziel, Frauenräume zu schaffen, oder verbirgt sich dahinter doch ein religiöses Motiv? Steht hinter ihm eine ideologische Lobby, die in diese Richtung drängt? Armia streitet alles ab. Ihm gehe es ums Geld. Das Café sei ein Erfolg, und wenn er nebenbei etwas für die Frauen tun könne, umso besser!

Die Gedanken kreisen in meinem Kopf. Ist mein Misstrauen berechtigt? Was werden die Leserinnen und Leser meines Artikels sagen? Was die Chefredaktion? Egal! Ich gebe das Grübeln auf und mache das, wofür die weichen Kissen gemacht sind: Ich lasse mich hineinsinken und rauche eine Shisha meiner Lieblingssorte. Während die Rauchkringel kreisen, wird mir alles andere egal. Vergiss die Ideologien der Religiösen und der anderen, vergiss die Chefredaktion, vergiss Baschar al-Assad und Abdelfattah al-Sissi. Was wichtig ist, ist der Moment, und dass er möglichst lange andauert.

Der Artikel ist im Original auf Arabisch und zuerst auf dem Onlineportal von Amal, Berlin! erschienen. Übersetzt wurde er in Kooperation mit dem von der Initiative Gesicht Zeigen! getragenen Projekt Media Residents von Karin al Minawi.

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