Nazis am Einheitsfeiertag

In Dortmund wollten rund 80 Neonazis marschieren. Massiver Gegenprotest zeigt, Dortmund ist nicht ihre Stadt.

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

So viel war in den letzten Tagen und Wochen über Dortmund und seine Nazis geschrieben worden. Nach einer Demonstration Mitte September, bei der die Anhänger der Partei »Die Rechte« wiederholt antisemitische Sprechchöre riefen und Pyrotechnik zündeten, war die Polizei dafür, dass sie nicht eingeschritten hatte, in die Kritik geraten.

In internationalen Medien wurde auf den Antisemitismus der Rechten aus dem Ruhrgebiet aufmerksam gemacht. Die Nazis legten schnell nach, demonstrierten in der vergangenen Woche vor dem Redaktionsgebäude der »Ruhr Nachrichten« gegen »Pressehetze«, gegen die Rechten ging fast der gesamte Stadtrat auf die Straße. Dortmunds Zivilgesellschaft wollte ihr Gesicht wahren und zeigen, dass die Straße nicht den Rechten gehört.

Am 3. Oktober sah dies schon wieder ganz anders aus. Kurzfristig hatten die Neonazis zu zwei Kundgebungen aufgerufen. Eine in der migrantisch geprägten Nordstadt und eine weitere im linksbürgerglichen Kreuzviertel. Offizielle der Stadt und das von SPD, evangelischer Kirche und DGB geprägte Bündnis »Dortmund Nazifrei« schwiegen sich zu der neuerlichen Nazi-Provokation aus.

Zu Gegenprotesten riefen lediglich Antifa-Gruppen in der Nordstadt und BVB-Fans im Kreuzviertel auf. Rund 60 Neonazis folgten dem Aufruf der Partei »Die Rechte« und hatten mit allerhand Schwierigkeiten zu kämpfen. In der Nordstadt protestierten über 250 Menschen gegen die neonazistische Kundgebung.

»Dortmund und seine Nordstadt haben gezeigt, wie es laufen kann. Antifagruppen, Anwohner_innen und Fußballfans haben auf der Straße eine Situation geschaffen, in der die Polizei nur mit Mühe die Kontrolle behalten konnte und die Nazis nichts zu melden hatten. Der Versuch der Nazis, die Zivilgesellschaft vorzuführen sich selber Handlungsfähigkeit zu bescheinigen, ist gründlich nach hinten losgegangen.« schätzt Tobias Schmidt von der »Autonomen Antifa 170« die Lage des Protests ein.

Erst mit mehr als einer Stunde Verspätung und nach einem harten Polizeieinsatz erreichte ein Großteil der Neonazis ihren Kundgebungsort. Kim Schmidt, von derselben Antifa-Gruppe ergänzt die Einschätzung: »Insbesondersin der Nordstadt hat sich gezeigt, dass das Viertel ganz offensichtlich keinen Bock auf Neonaziaufmärsche hat. Die An- und Abreise konnte nur mit massiver Gewaltanwendung seitens der Polizei durchgesetzt werden. Es kam zu zahlreichen An- und Übergriffen jenseits des - leider inzwischen - gewohnten Levels an polizeilicher Brutalität.«

Auch bei der Kundgebung im Kreuzviertel lief es für die Rechten nicht besser. Auch dort protestierten zahlreiche Anwohner, Antifas, und BVB-Fans gegen die Rechten. In einem Tumult bei der Abreise verloren die Neonazis vollends die Nerven. Aus ihrem Lautsprecherfahrzeug heraus besprühten sie Polizisten und Gegendemonstranten mit Feuerlöschern. Das Ergebnis: Die acht Rechte, die im Fahrzeug saßen, wurden kurzzeitig in Polizeigewahrsam genommen. Unter ihnen befand sich auch der »Die Rechte« Stadtrat Michael Brück.

Die Polizei ermittelt nun wegen gefährlicher Körperverletzung. Trotzdem kritisiert Kim Schmidt von der »Autonomen Antifa 170« den Einsatz der Polizei: »Die Neonazis hatten von der Polizei wenig Ärger zu erwarten und konnten ungehindert mit Glasflaschen und einem Feuerlöscher zur zweiten Kundgebung anreisen, den Gegenprotest abfotografieren und ähnliche Späße. Nur wenn die Polizei selbst betroffen war, wie etwa bei dem Einsatz besagten Feuerlöschers, fühlte sich die Polizei genötigt, tätig zu werden.«

Neben dem Vorfall mit dem Feuerlöscher gab es mehrere Versuche von Neonazis Gegner und Journalisten zu attackieren, auch Symbole der Nazi-Terrorgruppe »Combat 18« konnten ungehindert gezeigt werden. Bei einer kritischen Aufarbeitung des Einsatzes, etwa im nordrhein-westfälischen Landtag, wird sich die Dortmunder Polizei einigen unangenehmen Fragen stellen müssen.

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