Ursache und Folge von Flucht

Der Welthunger-Index 2018 stellt den Zusammenhang von Vertreibung und Hunger in den Mittelpunkt

  • Vanessa Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Obwohl weltweit genügend Nahrungsmittel produziert werden, um alle Menschen satt zu machen, gibt es nach wie vor Hunger. Die Welthungerhilfe, eine deutsche Hilfsorganisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Hunger weltweit zu bekämpfen, hat am Donnerstag zusammen mit ihrem Partner »Alliance2015 Concern Worldwide« den Welthungerindex 2018 vorgestellt.

Der Hunger sei seit dem Jahr 2000 im Großen und Ganzen zurückgegangen, so Klaus von Grebmer, leitender Berater des aktuellen Welthungerindex-Berichts auf einer Pressekonferenz in Berlin. In vielen Ländern des Globalen Südens habe sich die Situation verbessert: Die Index-Werte seien dort seit 2000 um 28 Prozent gefallen und auch die Kindersterblichkeit habe sich im gleichen Zeitraum halbiert.

Dennoch: Die Anzahl der Menschen, die an Hunger leiden, beträgt laut Welthungerhilfe 821 Millionen, das sind sechs Millionen mehr als noch im vergangenen Jahr. Damit hat jeder neunte Mensch nicht die minimal erforderliche Nahrungsmenge zur Verfügung, die nötig wäre, um den eigenen täglichen Kalorienbedarf zu decken. Besonders schlimm sei die Lage auf dem Land. Dort lebten drei Viertel aller Hungernden. Auch Kinder seien nach wie vor stärker von den Auswirkungen von Hunger und Unterernährung betroffen als Erwachsene.

Der Welthunger-Index (WHI), der seit mehr als zehn Jahren von der Welthungerhilfe herausgegeben wird, betrachtete in diesem Jahr die Situation in 119 Ländern. Dabei misst er den Ernährungszustand der Bevölkerung anhand von vier Indikatoren: der Verbreitung von Unterernährung in der Gesamtbevölkerung, Wachstumsverzögerung bei Kindern, ein zu niedriges Gewicht in Bezug auf die jeweilige Größe bei Kindern, und die Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren.

Ziel des Welthungerindexes sei es, »Aufmerksamkeit über die Hungersituation zu schaffen«, so von Grebmer. Die besorgniserregendsten Werte weisen wie in den vergangenen Jahren die afrikanischen Staaten südlich der Sahara auf. Dort wiederum sei die Situation in der Zentralafrikanischen Republik, die mit 53,7 Punkten den weltweit höchsten Indexwert aufweist, am »gravierendsten«.

Ebenfalls hohe Raten an unterernährten Menschen, wachstumsverzögerten Kindern sowie eine sehr hohe Kindersterblichkeitsrate gibt es in Sierra Leone, Jemen, Tschad, Sambia, Madagaskar, Jemen und Haiti. Positive Ergebnisse verzeichneten vor allem Angola, Ruanda, Äthiopien und Myanmar mit einer Verbesserung des WHI-Wertes um mehr als 45 Prozent. Diese positiven Teilerfolge seien nun aber vor allem durch bewaffnete Konflikte, den Klimawandel und schlechte Regierungsführung bedroht.

2015 hatten sich die UN-Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Millenium-Entwicklungsziele unter anderem auf das Ziel »Zero Hunger« geeinigt: Bis 2030 soll der Hunger weltweit besiegt sein. »Wenn wir so weitermachen, verfehlen wir dieses Ziel«, so von Grebmer. Um das Ziel doch noch zu erreichen, müssten nationale Regierungen, der Privatsektor, die Zivilgesellschaft und internationale Organisationen jetzt handeln.

Thematisch lag der Schwerpunkt des diesjährigen Berichts auf dem Zusammenhang von Flucht, Vertreibung und Hunger. In Ländern, in denen Kriege herrschen, sei der Hunger doppelt so hoch wie im Rest der Welt, stellte die Welthungerhilfe fest. Mit weltweit mehr als 68 Millionen Menschen auf der Flucht eine erschreckende Nachricht. Vor allem in Syrien sei eine »Spirale aus Armut und Hunger« zu beobachten, sagte Bärbel Dieckmann, Präsidentin der Welthungerhilfe. Hunger sei sowohl Ursache als auch Folge von Flucht und Vertreibung, und damit ein politisches Problem. Sie zeigte sich skeptischer im Hinblick auf die Erfüllung des »Zero Hunger« -Ziels und forderte von der Bundesregierung, sich auf europäischer und internationaler Ebene stärker gegen Hunger einzusetzen.

Da die Mehrzahl der Geflüchteten, etwa 40 Millionen Menschen, innerhalb ihrer eigenen Länder oder in Nachbarländer geflohen sei, sollte vor allem auf die Existenzsicherung der Geflüchteten in ihren Herkunftsregionen gesetzt werden. »Wir brauchen dauerhafte politische Lösungen für die weltweiten Konflikte, um den Hunger endgültig zu besiegen«, betonte Diekmann. Außerdem müsse es laut Dieckmann eine Debatte über Migration in Europa und weltweit geben, ebenso wie Gesetze, »die es den Menschen ermöglichen, auch woanders Fuß fassen zu können«.

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