Als Olympia seine Unschuld verlor

Vor 50 Jahren wurde ein Moderner Fünfkämpfer aus Schweden als erster Athlet bei den Spielen des Dopings überführt. Dabei hatte er wohl nur ein Bier zu viel getrunken

  • Jürgen Magh, Köln
  • Lesedauer: 3 Min.

Hans-Gunnar Liljenwall sagte mal, er habe gar nichts Schlimmes getan. Vor dem Schießen bei den Olympischen Spielen im Oktober 1968 in Mexiko-Stadt genehmigte sich der Moderne Fünfkämpfer mit seinen schwedischen Teamkollegen gemütlich zwei Bierchen. Mehr durften es nicht sein, das hatten sie vorher getestet. Doch für Liljenwall war an diesem Tag das zweite Glas zu viel. Mit 0,81 Promille hatte der Fünfkämpfer das Limit von 0,5 überschritten - und Olympia den ersten Dopingfall seiner Geschichte.

Dabei wollten Liljenwall und Co. lediglich ihr Nervenkostüm beruhigen. Das Trio lag nach den ersten beiden Tagen mit Reiten und Fechten gut im Rennen. An Tag drei ging es an die Waffe, da musste die Hand ruhig bleiben. Und so griffen in der Szene der Modernen Fünfkämpfer damals offenbar fast alle zu den Gläsern. »Das haben doch viele so gemacht«, sagte Liljenwall, »die Franzosen haben dann ein Glas Wein getrunken.«

Bis heute kann sich Liljenwall die krasse Abweichung von der Norm nicht erklären. »Wir haben das vorher immer wieder überprüft und ausprobiert. Es war sicher«, sagte der heute 77-Jährige. War es aber nicht, denn sein Körper spielte an diesem Tag verrückt. »Ich hatte einen dreimal so hohen Alkoholgehalt wie meine Kameraden«, sagte er. »Nichts erklärt diesen großen Unterschied. Dazu bin ich auch noch größer als die anderen.« Doch die Formel »Mehr Körpermasse verträgt mehr Alkohol« griff nicht. Und so wurde Hans-Gunnar Liljenwall als erster Olympiasportler disqualifiziert, die Bronzemedaille dem Team später aberkannt. Kollege Björn Ferm dagegen wurde Olympiasieger im Einzel, dort hatte Liljenwall den elften Platz belegt. »Ich bin froh, dass ich nicht auch noch im Einzel eine Medaille geholt habe. Dann hätte ich beide abgeben müssen«, sagt Liljenwall. Mexiko hat er inzwischen abgehakt: »Daran denke ich nicht mehr so oft.«

Vielleicht hätte ihm damals ein zweiter Test geholfen. Doch eine B-Probe gab es bei der olympischen Premiere von Dopingtests noch nicht. Das Kontrollsystem steckte noch in den Kinderschuhen. Erst im Mai 1967 hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) beschlossen, ab 1968 bei Olympia Tests auf verbotene Substanzen durchzuführen.

Ein tragischer Todesfall nur kurz danach bestärkte das IOC in seinen Bemühungen. Am 13. Juli 1967 war der britische Ex-Weltmeister Tom Simpson bei der Tour de France im Kampf um das Gelbe Trikot kurz vor dem Gipfel des am Mont Ventoux kollabiert. Er erlag kurz danach einem Herzstillstand. Die Obduktion ergab zunächst, dass Simpson dehydriert war. Später wurde festgestellt, dass der 29-Jährige Aufputschmittel und Alkohol im Körper hatte.

Weitere 20 Jahre später verlor Olympia endgültig seine Unschuld. 1988 in Seoul wurde Sprinter Ben Johnson nach seinem Goldlauf des Stanozololdopings überführt. Mit zwei Bier allein hätte der Kanadier wohl kaum triumphiert. SID/nd

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