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Höchste Zeit
Uwe Kalbe über Seehofers hartnäckige Realitätsverweigerung
Horst Seehofer beschäftigt wieder das ganze Land, und diesmal kann man wenigstens hoffen, dass es das letzte Mal ist. Auch wenn er stoisch bei seinem Verkündigungsterminplan bleibt und bis zuletzt versucht, sich wenigstens als Innenminister zu retten: Seehofer hat es nicht mehr in der Hand. Die eigene Partei kann ihn nicht mehr ertragen, und die Große Koalition hat längst die Faxen dicke. Ihr verzweifeltes Bemühen, einen Aufbruch zu inszenieren, scheitert am sichtbarsten an der Personalie Seehofer.
Doch auch die Kanzlerin hat es nicht mehr in der Hand. Angela Merkel kann schwerlich gerade jetzt die Reißleine ziehen. Sie, die nicht handelte, als Seehofer ihr eine Herrschaft des Unrechts vorwarf, mit Verfassungsklage drohte und die Richtlinienkompetenz streitig machte, kann jetzt nicht wegen seines Zögerns und Zagens ein Fass aufmachen.
Macht nichts. Denn eigentlich verdient Seehofer die ganze Aufregung nicht. Und die Koalition verdient es nicht, sich mit seinem Opfer reinzuwaschen. Andrea Nahles liest offenbar vom falschen Sprechzettel ab, wenn sie sagt, am CSU-Chef scheitere der Vollzug einer personellen Erneuerung der Koalition. Eine Erneuerung kauft dieser niemand ab, auch personell wäre dafür weit mehr nötig. Den Menschen sind solche Inszenierungen ohnehin allenfalls Grund zu neuem Misstrauen. Ihre Lebensqualität entscheidet am Ende über die Glaubwürdigkeit der Akteure. Also die Realität. Etwas, dem sich nicht nur Horst Seehofer seit langem hartnäckig verweigert. Was nicht heißt, dass er sich ihr nicht endlich stellen sollte.
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