SPD: »Wir schaffen das!«

Ministerpräsident Woidke wird zehn Monate vor der Landtagswahl als Parteichef bestätigt

Die SPD hat sich in Brandenburg ans Gewinnen gewöhnt und möchte auch am Abend des 1. September 2019 einen Wahlsieg feiern. Beim Landesparteitag am Sonnabend im Kongresshotel Potsdam sagt Ministerpräsident Dietmar Woidke: »Wir schaffen das!« Er ist auch SPD-Landesvorsitzender. Die Delegierten bestätigen ihn mit 80,8 Prozent der Simmen in dieser Funktion. Er dankt für das seiner Einschätzung nach starke Ergebnis und verspricht: »Wir werden nächstes Jahr kämpfen, und wir werden gewinnen.«

Generalsekretär Erik Stohn bekommt später nur 65 Prozent. Auch die Vizevorsitzenden, Veltens Bürgermeisterin Ines Hübner (70,3 Prozent) und Innenstaatssekretärin Katrin Lange (78,6 Prozent) schneiden schlechter ab als der 57-jährige Parteivorsitzende. Vor zwei Jahren hatte Woidke 83,3 Prozent erzielt, vor vier Jahren 79,8 Prozent.

Der frühere Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) ist im Kongresshotel, der betagte Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) lässt sich wegen seiner angeschlagenen Gesundheit entschuldigen und Grüße ausrichten. Ministerpräsidenten anderer Parteien hat es in Brandenburg seit 1990 nicht gegeben - und der nächste Ministerpräsident soll wieder ein Sozialdemokrat sein, wie Dietmar Woidke betont.

Dass die SPD im Moment in den Umfragen vorn liegt, ist nicht ungewöhnlich. Selten ist das einmal anders gewesen in den vergangenen 28 Jahren. Beispielsweise sah es 2004 mal kurz so aus, als könnten die Sozialisten an den Sozialdemokraten vorbeiziehen. Es ist ihnen am Wahltag dann aber doch nicht gelungen.

Jetzt liegt die AfD mit 23 Prozent gleichauf mit der SPD, und die CDU sitzt diesen beiden gegensätzlichen Parteien mit 21 Prozent im Nacken. Dahinter kommt dann noch die LINKE mit 17 Prozent. Angesichts dessen klingt ein Ziel, dass Generalsekretär Stohn auf dem Parteitag ausgibt, völlig unrealistisch: Alle 44 Wahlkreise zu gewinnen.

Die SPD muss sich anstrengen. Sie macht sich selbst Mut, indem sie Wahlsieger präsentiert, die vorgemacht haben, wie Sozialdemokraten auch in den schwierigen Zeiten heute Wahlen gewinnen können. Jubel bricht los, als der scheidende Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jakobs symbolisch einen Staffelstab weitergibt an seinen Nachfolger Mike Schubert. »Der Bundestrend hat uns nicht geholfen, der Landestrend war eigentlich auch gegen uns«, erinnert Schubert an seinen Wahlkampf. Doch die Konkurrenz habe die Bürger vergeblich dazu aufgefordert, den Wechsel zu wählen. »Die SPD kann nicht nur in Potsdam Wahlen gewinnen, sondern im ganzen Land Brandenburg«, versichert Schubert, der sein neues Amt am Freitag antreten wird. Er warnt vor einer Allianz zwischen CDU und AfD. Denn wenn AfD-Chef Alexander Gauland frohlocke, mit Friedrich Merz oder Jens Spahn als neuem CDU-Bundesvorsitzenden könne die AfD zusammenarbeiten, dann sei es nur eine Frage der Zeit, bis die brandenburgische CDU mit »Dehnungsübungen« in Richtung AfD beginnen werde.

»Die SPD kann Wahlen gewinnen, die SPD hat Wahlen gewonnen und die SPD wird Wahlen gewinnen«, betet Ministerpräsident Woidke eine Art Mantra des Parteitags - und immer wenn eine solche Formulierung verwendet wird, klatschen die Delegierten fleißig. Die Frage ist aber, wie dies gelingen soll.

Vielleicht mit Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der anbietet, persönlich im Wahlkampf zu helfen - was Kollege Dietmar Woidke gern annimmt. Die Genossen haben Stephan Weil zum Parteitag nach Potsdam eingeladen, weil er vor etwas mehr als einem Jahr in Niedersachsen das geschafft hat, was in Brandenburg in etwas weniger als einem Jahr gelingen soll: ein Wahlsieg der SPD. Zwar gilt Stephan Weil nicht gerade als Charismatiker, der die Bevölkerung mitreißt. In Potsdam begeistert er aber immerhin die Delegierten der eigenen Partei mit einem Quäntchen Humor. So sagt er heiter, Brandenburg und Niedersachsen seien sich ähnlich wegen der platten Landschaften und des sturen Naturells der Einwohner. Viele Bundesbürger könnten sich im Prinzip vorstellen, die SPD anzukreuzen, erklärt Weil. Wie die Menschen dazu bewegen? Als Stichworte nennt der Niedersachse den Kampf gegen Altersarmut und Mietwucher und das Eintreten für das Grundrecht auf Asyl. Schließlich mussten Sozialdemokraten einst vor den Faschisten fliehen und Zuflucht im Ausland suchen.

Auch Dietmar Woidke spricht von sozialer Gerechtigkeit - einen Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde fordert er -, von Solidarität, Weltoffenheit und Toleranz. Er erwähnt Erfolge wie die auf 5,9 Prozent gesunkene Arbeitslosenquote, und erinnert an schwere Zeiten nach der Wende. »Viele hatten Angst vor sozialem Abstieg und viele mussten ihn auch erleben.« Die Berliner Mauer sei 1989 gefallen, aber die Tarifmauer zwischen Ost und West stehe noch. Das müsse sich ändern, dass die Arbeitszeiten in Ostdeutschland länger seien und die Bezahlung schlechter.

Draußen an der Zufahrt zum Kongresshotel stehen neben Anwohnern des Großflughafens BER in Schönefeld, die ein Nachflugverbot von 22 bis 6 Uhr verlangen, Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace, die hier für den Ausstieg aus der Braunkohle demonstrieren. Drin beim Parteitag sagt Woidke, der ein Mann aus dem Lausitzer Revier ist, es gehe gar nicht um den Klimaschutz. »Der Ausstieg in der Lausitz schlägt global null zu Buche«, rechnet Woidke vor. »Er erreicht auf Kosten der Menschen und zur Freude der Grünen nur illusionäre Klimaschutzziele, bei denen die Betroffenen selbst nie mitreden durften.«

Wie Ministerpräsident Woidke in dieser Sache denkt und handelt, das hält Kollege Weil für richtig. Wenn er selbst Regierungschef in Brandenburg wäre, so würde er es genauso tun, sagt er.

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