Mit Putzen als Zweitjob das Einkommen aufbessern

  • Miriam Bunjes
  • Lesedauer: 2 Min.

Wenn es gut läuft, stellt Irina P. um sieben Uhr nach getaner Arbeit die Eimer in den Putzschrank des Versicherungsunternehmens und sitzt Punkt acht geschminkt am Empfang einer Dortmunder Bürogemeinschaft, verteilt dort die Post und den Kaffee. Die Bochumerin ging schon den verschiedensten Minijobs nach, etwa Chips wechseln im Casino oder Regale einräumen im Discounter.

Dass Irina P. abends außerdem noch näht, wissen die Kollegen und geben auch manchmal Stücke in Auftrag. »So reicht es für uns, und ich kann auch den Kindern alles ermöglichen«, sagt Irina P., seit vier Jahren alleinerziehend mit drei Kindern zwischen fünf und 15 Jahren.

Fast 3,3 Millionen Menschen in Deutschland haben mehr als nur einen Job. Eine Zahl, die sich seit 2004 um mehr als eine Million erhöht hat, wie Statistiken der Bundesagentur für Arbeit ausweisen. Tendenz: steigend.

Für immer mehr Beschäftigte reicht das Einkommen aus einem Job nicht aus. Sie arbeiteten aus finanzieller Not heraus und nicht freiwillig.

Fest steht: Diejenigen, die heute mehr als einen Job haben, verdienen im Hauptjob weniger als Menschen mit nur einem Job, und zwar im Schnitt 570 Euro. Das zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB). Fast 90 Prozent kombinieren eine sozialversicherungspflichtige Stelle mit einem Minijob. »Dieses Modell wird auch staatlich gefördert«, sagt IAB-Forscher Enzo Weber. Die 450 Euro sind für Arbeitnehmer komplett abgabenfrei - zusätzliches Geld für die Haushaltskasse. Ein Fehlanreiz, findet Weber, der nur kurzfristig attraktiv für Geringverdiener sei. Sie machen in der Regel einfache Jobs, die nicht auf Dauer angelegt sind, nicht weiterbildend und auch nicht gut mit Blick auf die Rente. Er plädiert deshalb dafür, die Hauptbeschäftigung zu fördern und Geringverdiener von Abgaben zu entlasten.

Ein sozialer Aufstieg gelingt mit diesem Arbeitsmodell nur selten, glaubt auch die Göttinger Soziologin Natalie Grimm. »Die Zusatzjobs qualifizieren ja nicht. Und durch die unregelmäßige Anwesenheit und den Zeitdruck entsteht für die Beschäftigten auch kein beruflich nützliches Netzwerk aus Arbeitskollegen«, so Grimm. epd/nd

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