Dämpfer schon am zweiten Tag

Kramp-Karrenbauer erleidet bei der Wahl des neuen Generalsekretärs eine Schlappe

  • Uwe Kalbe, Hamburg
  • Lesedauer: 6 Min.

»Oh nein«, ließ ein Kollege der Presse nach der Wahl Annegret Kramp-Karrenbauers zur neuen Parteichefin am Freitagnachmittag vernehmen. »Mutti zwei. Da hat dir CDU eine Chance verpasst.« Die Sympathien eines Großteils der Medien waren im Vorfeld deutlich auf Seiten des Mitbewerbers Friedrich Merz gewesen. Dass sie auch unter den CDU-Delegierten Gleichgesinnte hatten, zeigte sich an den euphorischen Reaktionen vieler Delegierter auf die Vorstellungsrede des ehemaligen Unionsfraktionschefs. Nun wird alles bleiben, wie es ist, lautet das gemeinsame Urteil.

Andere sind wohl genau darüber froh. Und dies wird ein ständiges Thema bleiben, in- wie außerhalb der CDU. Zu schön lässt sich die Frage erörtern, wessen Anhängerschar hinter welcher Ecke lauert, um der Gegenseite das Verlassen des rechten Weges vorzuhalten. Die Frage, ob die CDU zu weit nach links gerückt sei unter der Führung von Kanzlerin und Parteichefin Angela Merkel, wird seit Langem leidenschaftlich diskutiert.

Zugleich gibt es für nicht nach rechts eifernde Zeitgenossen kaum einen Grund, ernsthaft einen Linksruck zu unterstellen. Vor den Toren der Hamburger Messehalle taten zu Parteitagsbeginn am Freitagvormittag Mitglieder des DGB ihre gegenteilige Meinung kund. Sie protestierten gegen die fortdauernde Befreiung der Arbeitgeber von den Kranken- und Pflegebeiträgen zur Betriebsrente. Und die ersten Reaktionen nach der Wahl, etwa von Katja Kipping und Sahra Wagenknecht, Parteichefin und Fraktionsvorsitzende der LINKEN, ließen ein »Weiter so« auf dem angeblich so liberalen Kurs von Angela Merkel als wenig rosige oder gar linke Alternative erscheinen. Freilich in unterschiedlicher Gewichtung – Kipping warnte, Kramp-Karrrenbauer vertrete in den Fragen von Gleichberechtigung und Migrationen einen reaktionären Kurs. Wagenknecht betonte, auch unter der neuen Vorsitzenden stehe die CDU für eine marktkonforme Demokratie und werde absehbar die sozialen Gräben weiter vertiefen.

Nach rechts offen
Uwe Kalbe über die Entscheidung der CDU für eine angebliche Vermittlerin

Tatsächlich: Alle drei Kandidaten für den Spitzenposten der CDU hatten sich vor den Delegierten bemüht, keine Zweifel an ihrer Ablehnung, etwa eines sogenannten Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche, aufkommen zu lassen. Und keiner der drei hatte hatte den Verdacht aufkommen lassen, dass er einen Kurs anstreben werde, der die Politik der Kanzlerin nach links verändern wolle. Allerdings war Friedrich Merz am deutlichsten. Er wünschte einen sozial zurückhaltenden Staat und lobte den fleißigen und strebsamen Bürger. Den, der keine Sozialhilfe benötigt, angeblich, weil er sich anstrengt. Eine lebenslange Rundumversorgung, als die er Hartz IV offenbar versteht, lehnte Merz ab. Unterschiede zwischen den Kandidaten standen also durchaus zur Aus-Wahl. Dass der Staat ein unduldsamer zu sein und vor allem auch gegen »linke Chaoten« vorzugehen habe, darüber waren sich alle Kandidaten allerdings einig. Unter dem anfeuernden Beifall der Delegierten.

Am Ende war es nur ein knapper Vorsprung von knapp 52 Prozent der 999 abgegebenen Delegiertenstimmen für Kramp-Karrenbauer gegenüber 48 Prozent für Merz gewesen, die den Unterschied machten. Abgeschlagen war Jens Spahn gelandet, dennoch gaben seine Anhänger im zweiten Wahlgang den Ausschlag für Kramp-Karrenbauer. Dass dieser knappe Ausgang ein weiteres Schwelen des Konflikts zwischen dem wirtschaftsnahen (Merz-)Flügel und den bisher Merkel zuneigenden Teilen der Partei zur Folge haben könnte, ist nicht auszuschließen.

Die drei Kandidaten demonstrierten Harmonie. Man sei in den letzten Wochen zu einer Art Rockband geworden, beschrieb Jens Spahn die gemeinsame Zeit auf acht Regionalkonferenzen, wo sich die Bewerber der Basis vorgestellt hatten. So viel Einigkeit und trotzdem so viel Angst, dass die Wahlentscheidung von Hamburg die Partei zerrissen und verstritten zurücklassen könnte. Immer wieder war die Sorge zu hören: Jetzt nur keine Spaltung riskieren. Oder im Politikersprech: Geschlossenheit wahren. Angela Merkel sagte es. Kramp-Karrenbauer sagte es. Genauso wie ihre Mitbewerber es sagten.

Jens Spahn, Gesundheitsminister im Kabinett Merkel, wurde ins Präsidium gewählt, nachdem Friedrich Merz die Delegierten eindringlich darum gebeten hatte. Merz beließ es bei der Ankündigung, er werde die Partei unterstützen, wo es gewünscht sei. Carsten Linnemann, Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, flehte Merz am Sonnabend an: »Lieber Friedrich, bleib bitte bei uns!«

Auch die stellvertretenden Vorsitzenden hatten schon im Vorfeld jede Polarisierung zu vermeiden gesucht; eine Wahlempfehlung war von ihnen nicht zu hören; anders als von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, der sich für Merz ausgesprochen hatte. Die Delegierten vergalten ihnen die Zurückhaltung mit ihrer Wiederwahl. Im Amt bestätigt wurden Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, die rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende und Ministerpräsident Armin Laschet, der baden-württembergische Landesvorsitzende Thomas Strobl und Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Neben dem Präsidium wurden anschließend auch der Vorstand und die Delegierten zur EU-Wahl bestimmt.

Dass in den Führungsgremien nach Merkels Ausscheiden ein noch deutlicheres Übergewicht von Westdeutschen herrscht, monierte anschließend Dietmar Bartsch. »Vorsitzende, Stellvertreter, Generalsekretär, alle aus dem Westen«, schrieb der Fraktionschef der LINKEN auf Twitter.

Nach dem Ende der 18-jährigen Amtszeit Merkels drängte sich prominenten Vertretern der CDU vor den Kameras immer wieder die Beschreibung einer Zäsur, eines historischen Moments, auf. Das ist die Wahl einer neuen Vorsitzenden jedoch noch nicht automatisch. Wie die vielbeschworene Erneuerung der CDU aussehen soll und wie sie kollisionsfrei an der Bundeskanzlerin vorbeikommt, wird sich zeigen. Man darf Merkel wie Kramp-Karrenbauer höchste Zurückhaltung unterstellen, wenn die Position der anderen zur Disposition gerät. Zugleich sah sich Kramp-Karrenbauer genötigt, schon auf dem Parteitag zu liefern, um die Anhänger des unterlegenen Friedrich Merz bei Laune zu halten.

Das gelang jedoch nur bedingt. Am Freitag hatte Kramp-Karrenbauer noch gezögert, am Sonnabend dann präsentierte sich ihr Wunschkandidat für den Posten des Generalsekretärs: der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak – ein Mann der Gegenseite.

In seiner Bewerbungsrede bediente er die Erwartungen seiner Fans, sprach über die Symbolik der Deutschlandfahne und forderte einen klaren Kurs und klare Sprache. Die 62,8 Prozent, mit denen er schließlich gewählt wurde, waren eine herbe Niederlage. Für ihn oder seine kommende Chefin? Ob als erste Botschaft gedacht oder nicht, war das Ergebnis auch für Kramp-Karrenbauer eine erste Schlappe. Auch wenn es möglicherweise direkt dem Kandidaten galt, der sich nun dem Merkel-Lager angedient hatte. Da nützte es ihm auch nicht, dass er ganz im Sinne von Merz verkündete, in der sozialen Debatte dürfe es nicht immer nur um Hartz IV und Superreiche gehen. Die »Fleißigen« müssten im Fokus stehen.

In weiteren Beschlüssen unterstützt die CDU den globalen Pakt für Migration. Um Migration besser zu steuern und zu begrenzen, wie es heißt. Dass Deutschland bei der Migration »deutlich mehr Verantwortung als andere Länder« übernehme, »das wollen wir ändern – unter anderem durch eine fairere Verteilung«. In Leitfragen zum neuen Parteiprogramm werden Absichten über die Inhalte künftiger Debatten formuliert – in Frageform. Und in einem Beschluss zur Bundeswehr wird das Ziel festgelegt, den Rüstungshaushalt bis »spätestens« 2024 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Beschlossen wurde zudem, den Solidaritätszuschlag bis Ende 2021 vollständig abzuschaffen. Im Beschluss heißt es: »Dabei halten wir am Ziel eines ausgeglichenen Haushalts ohne neue Schulden fest.«

Was Kramp-Karrenbauer nun erwartet, lässt sich schwer voraussagen. Angela Merkel galt einst als Übergangslösung, als sie 2000 mitten in der CDU-Spendenaffäre an die Parteispitze gewählt wurde. Nun hat sie neben Konrad Adenauer (16 Jahre) und Helmut Kohl (25 Jahre) die längste Amtszeit vorzuweisen: Und die Partei habe sich in dieser Zeit deutlich verändert, wie Merkel in ihrer letzten Rede in Hamburg selbstbewusst bemerkte. Dieser Prozess ist noch voll im Gange.

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