Die Raute unterm Hakenkreuz

Das HSV-Museum widmet sich in einer sehenswerten Sonderausstellung der Vereinsgeschichte in der Zeit von 1933 bis 1945

  • Volker Stahl und Broder-Jürgen Trede
  • Lesedauer: 3 Min.
Der deutsche Fußball im Nationalsozialismus - lange wurde dieses Thema eher stiefmütterlich behandelt. Lange hatte beispielsweise auch der Tübinger Rhetorik-Professor und Fußballfan Walter Jens zornig die Funktionäre des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ermahnt, endlich die Archive für eine wissenschaftlichen Betrachtung dieser Zeit zu öffnen. Es scheint, als habe erst die Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land dieser Forderung neuen Schwung verliehen. Im Vorfeld der WM stiftete der DFB den Julius-Hirsch-Preis. Die Auszeichnung, benannt nach dem jüdischen Nationalspieler, der 1943 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet wurde, ehrt Personen und Organisationen, die in besonderer Weise ihre gesellschaftliche Position nutzen, um sich für Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit einzusetzen. Zudem publizierte der Verband eine umfangreiche Studie, darunter Fußball unterm Hakenkreuz (Nils Havemann). Auch etliche Vereine haben zuletzt ihre NS-Vergangenheit aufgearbeitet und Bücher dazu veröffentlicht. Ein Vorreiter dieser Entwicklung ist der Hamburger SV. Schon zur Eröffnung seines Museums vor vier Jahren beeindruckte der Klub durch seinen offensiv-kritischen Umgang mit diesem Kapitel. Als erster Fußball-Bundesligist widmet der HSV dem Thema jetzt eine eigene Sonderausstellung. »Wir sind sehr glücklich, dass wir dieses Herzensprojekt nach anderthalb Jahren Planung und Recherche endlich umsetzen konnten«, freut sich Museumsleiter Dirk Mansen, der gemeinsam mit HSV-Chronist und Autor Werner Skrentny die Schau über »Anpassung und Opposition, Täter und Opfer und den sportlichen Alltag im HSV zwischen Krieg und Verfolgung« konzipiert hat. Auf der Basis des wohl umfangreichsten deutschen Vereinsarchivs ist eine absolut sehenswerte Ausstellung entstanden. »Vieles war vorhanden und gut sortiert«, sagt Mansen. So ist in einem eigenen »Kriegstotenarchiv« der Werdegang vieler HSV-Mitglieder dokumentiert. Feldpostbriefe spiegeln die Situation an der Front wider. »Zum Teil erschütternde Dokumente«, erklärt Skrentny, »die vor allem deutlich machten, welche starke persönliche Bindung die Mitglieder damals noch zu ihrem Klub hatten.« Etliches haben die Ausstellungsmacher neu recherchiert. Skrentny sichtete umfangreiches Aktenmaterial im Hamburgischen Staatsarchiv zum Verbleib der jüdischen Vereinsmitglieder oder im Berliner Bundesarchiv zu Entnazifizierungsprozessen. Bis auf Karl Mechlen waren alle HSV-Präsidenten zwischen 1933 und 1945 Parteimitglieder, wurden jedoch nach dem Krieg allesamt als »Mitläufer« eingestuft und freigesprochen. Die komplett erhaltenen Vereinsnachrichten liefern den roten Faden. Auch wenn sich hierin nur sehr sporadisch politische Aussagen finden lassen, zeichnen sie doch ein eindrucksvolles Bild des Vereinsalltags. Nicht nur auf diesem Weg gelingt es der Ausstellung trefflich, die NS-Zeit lebendig werden zu lassen. Da flimmern Zeitzeugeninterviews über die Videoschirme, und ehemalige HSV-Mitglieder und Ligaspieler wie Oscar Algner, Dr. Franz Groh und Franz Klepacz erzählen von früher. Es sind gerade diese persönlichen Schilderungen, die die politische Instrumentalisierung des Sports greifbar machen. Die exemplarischen Lebens- und Leidenswege bleiben haften; egal, ob es sich um Täter wie Otto »Tull« Harder (Stürmerstar der Nationalelf und späterer KZ-Aufseher) handelt oder um Opfer wie Asbjörn »Assi« Halvorsen (Mittelfeldikone und späterer Widerstandkämpfer und KZ-Insasse). Besonders aufwühlend ist der Fall des langjährigen HSV-Präsidenten Emil Martens, der wegen seiner Homosexualität mehrfach inhaftiert wurde und dem KZ und damit wohl sicheren Tod nur deshalb entkam, weil er einer »freiwilligen Kastration« zustimmte. Die Raute unterm Hakenkreuz, Sonderausstellung bis 31. August im HSV-Museum, Sylvesterallee 7. Mo-So 10 bis 20 Uhr. Eintritt: 6 EUR.
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