Weltrekord mit Nachwirkung im deutschen Schwimmsport

Lukas Märtens trägt nach seinem historischen 400-Meter-Wettkampf nun die Hoffnungen des deutschen Schwimmsports bei der WM in Singapur

  • Andreas Morbach
  • Lesedauer: 4 Min.
Lukas Märtens
Lukas Märtens

Lukas Märtens staunt noch immer, wenn er an die vergangenen sechs Monate zurückdenkt. Seit seinem Olympiasieg vor einem Jahr in Paris hat sich das Leben des gebürtigen Magdeburgers spürbar verändert: Medienrummel, Ehrungen, Urlaub – und zwei Nasenoperationen. Erst im Januar kehrte der 23-Jährige ins geregelte Training zurück. »Danach konnte man sehen, wie schnell die Saison wieder Fahrt aufgenommen hat«, erzählt Märtens im Gespräch mit »nd« – und fügt fast ungläubig hinzu: »Obwohl ich eigentlich gar keinen besonders großen Druck verspüre.« Ein Privileg, das er dem Olympiagold über 400 Meter Freistil verdankt.

Doch die Mischung aus innerer Ruhe und neu gewonnener Reife zahlte sich bald spektakulär aus: Am 12. April sorgte Märtens bei den Swim Open in Stockholm für ein historisches Ausrufezeichen. In 3:39,89 Minuten unterbot er den 15 Jahre alten Weltrekord seines Landsmanns Paul Biedermann – jenen aus der Ära der Hightech-Anzüge – um elf Hundertstelsekunden. »Mit so einer Zeit konnte man hier wirklich noch nicht rechnen«, kommentierte Heimtrainer Bernd Berkhahn erstaunt. Und auch Märtens selbst brauchte einen Moment, um zu begreifen, was ihm da gelungen war. Seit jenem Samstag ist er der erste Mensch, der die acht Bahnen Kraul jemals unter 3:40 Minuten zurückgelegt hat.

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Die Gratulation des entthronten Rekordhalters Biedermann ließ nicht lange auf sich warten, ein Treffen zwischen dem neuen Weltrekordler und seinem einstigen Vorbild ist bereits angedacht. »Das hat bisher leider noch nicht geklappt«, sagt Märtens bedauernd. Beide seien stark eingespannt, ein Termin habe sich bislang nicht ergeben. »Aber ich bin mir sicher, dass es irgendwann klappt.«

Fest steht hingegen der nächste große Termin: Am Sonntagmorgen beginnt für Märtens bei der Schwimm-WM in Singapur die Jagd nach dem nächsten Edelmetall. Dann betritt Deutschlands derzeit bester Beckenschwimmer erstmals den Startblock – auf seiner Paradedisziplin. Der Olympiasieger von Paris soll der deutschen Mannschaft mit einer Medaille – idealerweise Gold – Auftrieb für die anstehende WM-Woche im Becken geben.

»Das hat in der Vergangenheit gut funktioniert«, sagt Märtens selbstbewusst. Schon bei den Weltmeisterschaften 2022 in Budapest (Silber), 2023 in Fukuoka und 2024 in Doha (jeweils Bronze) holte er zum Auftakt der Titelkämpfe regelmäßig über 400 Meter Freistil eine Medaille.

Trotzdem richtet sich der Blick des Magdeburgers längst nach vorn – auch mit Blick auf die strukturellen Herausforderungen des deutschen Schwimmsports. Denn seit diesem Jahr müssen die Beckenschwimmer mit gekürzten Bundesmitteln auskommen – trotz der olympischen Erfolge von Märtens und seiner Trainingskollegin Isabel Gose, die in Paris Bronze über 1500 Meter gewann.

Märtens selbst hat von den Einschnitten bislang wenig gespürt. Die regelmäßigen Höhentrainingslager seiner Magdeburger Trainingsgruppe werden weiterhin vollständig finanziert. Doch es ist klar: Erfolge wie sein Olympiasieg – der erste eines deutschen Schwimmers über eine Beckenstrecke seit Michael Groß und Uwe Daßler 1988 – sollen künftig wieder stärkere öffentliche Förderung ermöglichen. Entsprechend sieht sich Märtens in seiner noch jungen Karriere auf einer Art Dauermission.

»Wir versuchen, als Verband durch solche Erfolge neue Namen ins Spiel zu bringen. Ich habe im Beckenschwimmen letztes Jahr damit angefangen«, betont er – und ergänzt kämpferisch: »Da geht auf jeden Fall noch mehr.«

Für Märtens ist die WM in Singapur dabei mehr als nur ein Start über 400 Meter Freistil: Neben seiner Paradestrecke tritt er auch über 800 Meter Freistil, 200 Meter Rücken und in zwei Staffeln an. Der glühende Anhänger des 1. FC Magdeburg wartet trotz aller Rekorde und Medaillen weiter auf seinen ersten Weltmeistertitel.

Die erzwungene Auszeit im vergangenen Jahr hat den Freistilspezialisten reifen lassen. »Mit Freunden feiern gehen oder einfach mal Quatsch machen – das kam in den letzten Jahren manchmal zu kurz«, blickt er zurück. Die Entspannungsphase im Herbst 2024 mündete schließlich in einen Weltrekord im Frühjahr 2025. Ob Märtens seine April-Topform auch in Singapur abrufen kann, werden die Schwimmfans ab Sonntag gespannt verfolgen.

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