Schwächen in der Königsdisziplin

Der Markt verlangt mehr Bio-Produkte regionaler Herkunft - die Agrarpolitik tut sich schwer

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Schaut man sich in den Einkaufszonen Berlins und der größeren Städte Brandenburgs um, so gehört Produktwerbung mit dem Bio-Versprechen inzwischen zum Alltag. Dabei geht es an vorderster Stelle um Agrarprodukte und Lebensmittelerzeugnisse aus umweltgerechter, nachhaltiger Produktion. Dass die Hauptstadtregion längst, dem bundesdeutschen Trend folgend, auf »Bio« steht, zeigt sich daran, dass die Umsatzkurve der Branche letztlich kontinuierlich nach oben zeigt.

Wie die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL) am Dienstag in Berlin informierte, lag hier der Gesamtumsatz des regionalen Naturkosthandels - Direktvermarkter, handwerklich arbeitende Betriebe und Lieferdienste eingeschlossen - im vergangenen Jahr bei mehr als 530 Millionen Euro. Das entspreche einem Wachstum von rund sieben Prozent, erklärte FÖL-Geschäftsführer Michael Wimmer im »nd«-Gespräch.

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»Die Bio-Branche ist ein wirkliches Erfolgsmodell«, stellte er klar. Doch habe sie zu lange gegen Vorurteile in Agrarpolitik und Verbänden Brandenburgs ankämpfen müssen. »Selbst der Landesbauernverband sieht inzwischen den Biolandbau eher als Chance, und weniger als Bedrohung«, so Wimmer. Demgegenüber fehlt es offenbar selbst im Agrarministerium an strategischer Unterstützung des ökologischen Landbaus und an einer Orientierung auf regionale Spitzenqualität besonders für den in Europa einzigartigen Bio-Absatzmarkt Berlin.

Wachstumsmotor für die Branche sind laut Wimmer die Bio-Supermärkte. Gradmesser ihres anhaltenden Erfolgs ist ihre wachsende Zahl in Berlin-Brandenburg, 2018 gab es 126, acht mehr als im Vorjahr. »Regionaler Marktführer bleibt die Bio Company (50 Filialen), gefolgt von denn's Biomarkt (41), Alnatura (20) sowie der LPG (acht Filialen)«, schreibt die Fördergemeinschaft. Dabei sei der klassische Fachhandel, der 2017 eine kurze »Atempause« einlegte, inzwischen wieder auf Wachstumskurs.

Längst hat auch der konventionelle Lebensmitteleinzelhandel die Zeichen der Zeit erkannt. So bauten Ketten wie Edeka und Rewe ihr deutsches Bio-Sortiment - bisher eine Domäne des Naturkostfachhandels - aus.

Hier haben jetzt zwei Schwergewichte Neuland in der Bio-Branche betreten. Wie Michael Wimmer erklärte, hat zum 1. Januar 2019 mit Bioland erstmals ein Bio-Anbieter, und noch dazu Deutschlands Nummer 1, eine exklusive Kooperationsvereinbarung mit einem Discounter geschlossen. Dabei handelt es sich um den Branchenführer Lidl, der bundesweit mehr als 3200 Filialen betreibt. Diese Kooperation werde in der Bio-Branche kontrovers diskutiert. Die Frage sei aber vor allem, ob es Bioland gelinge, sich als Premiummarke gegenüber dem Discounter im Sinne einer Qualitätsführerschaft zu behaupten. »Es geht dabei mit ›Bio plus Regional‹ um die Königsdisziplin.«

Mit Blick auf die Landtagswahl im Herbst und die zweite Amtszeit von Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) zog der FÖL-Geschäftsführer eine zwiespältige Bilanz der Entwicklung des Ökolandbaus in Brandenburg. Auf der Habenseite sieht er beispielsweise die 2014 erfolgte Anhebung der Basisprämie für Ackerland als Instrument der Öko-Flächenförderung auf 210 Euro je Hektar. Auf den immensen Beratungsbedarf bei Bio-Erzeugern habe das Land aber erst im September 2018 mit der »Richtlinie des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg zur Förderung der Inanspruchnahme von landwirtschaftlichen Beratungsdienstleistungen« reagiert. »Vorbildlich umgesetzt« habe Brandenburg dagegen die EU-Förderinstrumente etwa zur Verbesserung der Landwirtschaftlichen Produktivität und Nachhaltigkeit.

Nicht gelungen sei es Brandenburg, aus seinem naturgemäß hohen Bio-Anteil einen klaren Wettbewerbsvorteil zu ziehen. Gerade die im rot-roten Koalitionsvertrag getroffenen Festlegungen - Ausbau der Spitzenstellung im Ökolandbau und Entwicklung einer Verarbeitungs- und Vermarktungsstrategie - seien »nicht im Ansatz erreicht« worden. Dem Land fehle als einem der letzten ein Öko-Aktionsplan. Die FÖL setze sich für eine deutliche Anhebung der Umstellungsprämie für den Ökolandbau ein. Wimmer sprach sich dafür aus, ein eigenständiges Ökolandbau-Referat im Agrarministerium zu schaffen.

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