Abschwirren ins Hymnische

Ein warmer Kraftstrom: Drei schöne Stoner-Rock-Alben

  • Frank Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.

Schade, dass keiner anruft. »Fasse dich kurz«, würde ich sagen, »ich höre gerade ›Eorþe‹ von Skraeckoedlan!« Jüngst hat das Trio aus Norrköping sein Debüt »Äppelträdet« (2011) dem internationalen Markt nachgereicht. Etwa vier Jahre brauchen die Schweden stets, um ein Album zu produzieren, dass kompositorisch, frickeltechnisch und melodisch ihrem hohen Qualitätsstandard genügt. Nach »Sagor« (2015) kommt jetzt also das Drittwerk, das die Grenze ihres eingängigen Stoner Rock noch einmal ein Stück in Richtung Psychedelic Prog verschiebt. Science-Fiction-Autor Nils Håkansson hat ihnen ein Lyric-Konzept à la H. P. Lovecraft geschrieben. Wir Banausen aber sind leider nicht des Schwedischen mächtig. Das hat aber den Vorteil, dass wir uns gleich auf die abermalige musikalische Meisterleistung konzentrieren können. Bass und Leadgitarre sind hier gleichberechtigte Melodie-Instrumente, die sich gegenseitig antreiben, umgarnen, in die Parade fahren und im Verein mit dem sonoren Gesang einen dichten Teppich aus Schönklang knüpfen. Übt den Namen: Skraeckoedlan!

Die Gießkanne hat im Metal nichts zu suchen, so steht es im Genre-Katechismus geschrieben. Aber der irrt ja oft; immer dann, wenn es richtig interessant wird. Rolf Martin Snustad jedenfalls zeigt den Gläubigen der strikten Observanz einen Stinkefinger in Form seines mächtigen Baritonsaxophons. Er spielt dieses Monstrum mit der pausbackigen Power eines abgezockten Riffers und bläst die Trondheimer Band Spidergawd damit zur Überlebensgröße auf; er versorgt sie mit einem satten, zugleich schön röhrenden, warmen Kraftstrom dort, wo es wichtig ist - in den unteren Mitten.

So organisch wie dieses Instrument zu dem Bastard aus Stoner, klassischem Hardrock und NWOBHM passt, wie es auch noch die letzte Lücke zwischen Bass und Rhythmusgitarre harmonisch zuqualstert, ist es eigentlich erstaunlich, dass es noch nie jemand zuvor probiert hat. Und man kann hören, wie die Band sich von ihrem eigenen Klangkörper euphorisieren lässt. Vom Schub seines Partners getragen, schwirrt Sänger und Gitarrist Per Borten immer wieder ins Hymnische ab und ihm fallen da oben berückende Melodien ein.

Während Spidergawd den Stoner Rock noch einmal neu möblieren, wehren sich Clutch gleich ganz gegen die Genrezuschreibung, obwohl sie als grobe Richtungsangabe durchaus gute Dienste leistet. So wie bei diesen Scherzstraßenschildern: »New York - 6000 Km«. Die Band selbst kommt aus einem Ort namens Germantown, Maryland, einem Vortort von Washington D. C.

Clutch erweitern die ohnehin hybride Gattung des Stoner vor allem um Traditionszusammenhänge aus der schwarzen Musik. Jean-Paul Gaster spielt großräumig polternden, gnadenlos groovenden Siebziger-Funk, mitunter pusten sogar feine Bläsersätze die wippenden Schlaghosen durch. Und Sänger Neil Fallons klingt wie ein übernächtigter Soul Preacher, der seine Gemeinde lautstark auf Linie bringt. Aber auch Southern Rock mit den notorischen, im Tequila-Delir herumtorkelnden Billy-Gibbons-Licks wird hier verbaut, und wenn es ihnen hart ankommt, zeigen sie ihre Asphaltschrunden her, weil sie vor fast dreißig Jahren als Hardcore-Truppe angefangen haben. Es braucht schon eine gewisse kreative Energie, um diese unterschiedlichen Elemente einzuschmelzen, aber davon haben sie mehr als genug.

Skraeckoedlan: »Eorþe« (Fuzzorama/ Soulfood); Spidergawd: »V« (Crispin Glover/Stickman); Clutch: »Book of Bad Decisions« (Weathermaker)

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