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  • Münchner Sicherheitskonferenz

»Damit wir leben können«

Laut Veranstalterangaben kamen dieses Jahr rund 6500 Menschen zu den Protesten gegen das Militärtreffen im Bayerischen Hof

  • Gisela Dürselen, München
  • Lesedauer: 3 Min.

Nicht nur das Treffen drinnen im Bayerischen Hof trug das Wort »Sicherheit« in seinem Namen - auch draußen auf der Straße war es omnipräsent. Allerdings wurde »Sicherheit« von den Protestierenden im Sinne der Menschen definiert und damit ganz anders als am Tagungsort der Eliten: Sicherheit bedeute ein Leben ohne Krieg und Gewalt - auch ohne Armut und Hunger, sagte Matthias Schmidt vom Aktionsbündnis. Mit seiner Kollegin Andrea Stein forderte Schmidt bei der Auftaktveranstaltung mehr Abrüstung statt Sozialabbau sowie mehr Geld für ABC-Schützen statt für ABC-Waffen.

Rund 6500 Menschen hat der diesjährige Protest gegen die Sicherheitskonferenz laut einer Schätzung der Veranstalter auf die Straße gebracht. Mit dabei waren erstmals auch Gruppen wie die vom ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis gegründete »Demokratie in Europa« (DiEM) sowie Geflüchtete und deren Unterstützer.

Schon jetzt werde dreimal so viel Geld fürs Militär als für Bildung ausgegeben, sagte LINKE-Europapolitikerin Claudia Haydt bei der Abschlusskundgebung. Eine Etaterhöhung von 4,7 Milliarden Euro habe es allein für 2019 für die Bundeswehr gegeben: »Und gleichzeitig erzählen sie uns, dass Haushaltslöcher auftauchen und deswegen keine Renten erhöht werden können.« Wenn die NATO ihr Zwei-Prozent-Ziel wirklich umsetze, dann bedeute das in Deutschland 80 Milliarden Euro für den Krieg. »Wir wissen, dass wir mehr tun müssen«, zitierte die LINKE-Politikerin Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CSU) und stimmte ihr vollkommen zu: Ja, es müsse mehr getan werden. Im Jemen krepierten Menschen erbärmlich. Dieses Sterben und Hungern müsse gestoppt werden, und auch die Bundeswehr müsse etwas tun: zum Beispiel Bilanz ziehen über das Ergebnis von 25 Jahren Auslandseinsätzen.

Stattdessen habe die Bundeswehr soeben einen 100 Millionen Euro schweren Vertrag mit der Deutschen Bahn geschlossen. Damit habe sich das Militär ganze Züge für Truppentransporte und Rüstungsgüter gesichert, die an den Osten des Bündnisgebietes und so an die Grenze Russlands gebracht werden könnten. Zwar gebe es schon bisher Abkommen über Transportkapazitäten. Aber neu seien das Ausmaß und die Prioritäten: In Zukunft habe das Militär erstmals Vorrang vor Zivil. Militärtransporte seien fortan privilegiert und hätten Vorfahrt vor dem zivilen Personenverkehr.

Ein Papier des Heereskommandos entwerfe ein Szenario, wie die Bundeswehr einen Landkrieg gegen Russland im Jahr 2026 gewinnen könne, erklärte Protestorganisatorin Stein. Der mediale und wirtschaftliche Feldzug habe schon längst begonnen.

Als ein Symbol gegen Aufrüstung und für Frieden tauchten bei der Demo immer wieder rote Mohnblumen aus Kunstseide auf: Diese stammen von dem Münchner Aktionskünstler Walter Kuhn, der im vergangenen Jahr 3000 dieser Blumen auf dem Königsplatz hatte erblühen lassen.

Trotz der bedrohlichen politischen Situation verlief die Veranstaltung in störungsfreier Partystimmung - wenn auch Veranstaltungsleiter Franz Haslbeck beim Auftakt die Ge- und Verbote der Polizei im Wortlaut vorzutragen hatte. Zu den Auflagen gehörte neben einer dezibelgenauen Lärmgrenze auch ein Unterlassen des Zeigens verbotener Symbole wie die der kurdischen PKK. Die Vertreter der Kurden hatten beim Abschluss auf dem Marienplatz Gelegenheit, ihre Anliegen vorzutragen: Ayten Kaplan, die Ko-Vorsitzende des Kurdischen Gesellschaftszentrums NAV-DEM, sprach über Meinungsfreiheit, Hungerstreiks und die Doppelmoral bei politischen Entscheidungen.

So zeichneten die Rednerinnen und Redner auf den Podien ein umfassendes Bild von Politik und Widerstand - und alle waren sich einig in einem Punkt: Die »kleine radikale Minderheit« seien die Leute da drinnen im Bayerischen Hof - draußen auf der Straße stehe die Mehrheit, und die werde nicht aufhören zu protestieren, wie Claus Schreer vom Aktionsbündnis es formulierte. Oder, in der Version von Claudia Stein: »Damit wir leben können, muss unser Protest gegen die Kriegstreiber und Kriegsgewinnler und ihre Helfershelfer weitergehen und stärker werden.«

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