Unfairteilung bei den Jobcentern

Jeder vierte Euro für Ausbildung fließt in die Hartz-IV-Bürokratie - gespart wird bei den Arbeitslosen

  • Vanessa Fischer
  • Lesedauer: 2 Min.

Über 400 Jobcenter gibt es in der Bundesrepublik. Sie alle arbeiten nach dem selbsterklärten Prinzip des »Förderns und Forderns«. Was sie mit »Fordern« meinen, ist schnell erkannt: Um Geld für den Lebensunterhalt zu erhalten, müssen ALG-II-Beziehende auch »eine Gegenleistung bringen und sich ernsthaft um eine Arbeit bemühen«, heißt es etwa auf den Seiten des Jobcenters Dahme-Spree in Brandenburg.

Dass das »Fördern« dabei immer öfter zu kurz kommt, geht nun aus einer Anfrage der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der LINKEN im Bundestag, Sabine Zimmermann, hervor, die dem »nd« vorliegt. So haben die Jobcenter im vergangenen Jahr mehr als eine Milliarde Euro aus dem Topf für »Eingliederung« zur Deckung von Verwaltungskosten verschoben. Bereits in den vergangenen Jahren war zunehmend Geld aus dem Eingliederungsbudget für Verwaltungskosten und so mehrheitlich für die Löhne der Mitarbeitenden verwendet worden. Für das Jahr 2018 erreichte die Mittelverschiebung aber einen Rekord: Mit 1030 Millionen Euro haben die Jobcenter fast ein Viertel des Budgets, das für Umschulung und Ausbildung der Arbeitssuchenden gedacht war, umgeschichtet. 2017 lag dieser Betrag bereits bei 911 Millionen Euro.

»Es ist ein Skandal, dass seit Jahren Eingliederungsleistungen zum Stopfen des Haushaltsloches verwendet werden und somit zur Unterstützung von Erwerbslosen nicht zur Verfügung stehen«, sagte Sabine Zimmermann gegenüber »nd«. Insbesondere Langzeiterwerbslose, ältere Erwerbslose und erwerbslose Menschen mit Behinderungen hätten geringe Jobchancen und wünschten sich Weiterbildungsangebote. »Statt Erwerbslose weiterhin aufs Abstellgleis zu schieben und zu drangsalieren, muss ausreichend Geld zur Förderung bereitgestellt werden«, erklärte Zimmermann.

Die Bundesregierung betonte in ihrer Antwort, das Gesetz erlaube den Jobcentern aus gutem Grund, die Mittel für Eingliederung und Verwaltung nach Bedarf einzusetzen. »Die Zweckentfremdung verschleiert die Unterfinanzierung des Verwaltungsetats der Jobcenter«, entgegnete Zimmermann.

Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, hatte bereits im vergangenen Jahr für mehr Geld und eine Entbürokratisierung der Jobcenter plädiert, etwa durch Pauschalen und einheitliche Anrechnungsvorschriften. Der sozialpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Pascal Kober, erklärte in diesem Zusammenhang: »Jeder zweite Mitarbeiter ist derzeit damit beschäftigt, Leistungsansprüche zu bearbeiten.« Bescheide hätten oft mehr als 20 Seiten.

Zwar kündigte die Bundesregierung inzwischen eine Aufstockung des Verwaltungsetats an, den Bedarf der Jobcenter werde das aber nicht decken, sagte Zimmermann. »Grundsätzlich muss das Hartz-IV-System abgeschafft und durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzt werden, die wirklich vor Armut schützt.«

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