Entlastung für Krankenschwestern

Städtisches Klinikum Brandenburg unterschreibt einen Tarifvertrag »Personaloffensive«

Der Panoramaraum oben auf dem Städtischen Klinikum Brandenburg (SKB) gestattet einen herrlichen Ausblick auf die Stadt an der Havel. Durch die großen Glasfronten scheint die Sonne herein. Für die Klinik liegen Licht und Schatten noch dicht beieinander.

»In vielen Krankenhäusern arbeiten die Beschäftigten am Limit - mit entsprechenden Risiken nicht nur für ihre, sondern auch für die Gesundheit von Patientinnen und Patienten«, weiß die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Es ist ihr aber gelungen, mit SKB-Geschäftsführerin Gabriele Wolter einen Tarifvertrag »Personaloffensive und Entlastung im Pflegebereich« abzuschließen.

Damit ist die Klinik Vorreiter im Land Brandenburg. Auch sonst gebe es nur einige wenige Krankenhäuser in Deutschland, mit denen die Gewerkschaft so etwas aushandeln konnte, erklärt ver.di-Sekretärin Heike Spies. Am Dienstag wird der Vertrag im Panoramaraum unterzeichnet. Hier ist das Licht. Spätestens am 1. Januar 2021, so ist es nun vereinbart, will das SKB 321 Vollzeitstellen mit examinierten Pflegefachkräften besetzt haben. Das bedeutet einen Zuwachs von rund 80 Stellen in den kommenden zwei Jahren.

Perspektivisch soll der Personalbedarf durch eigene Ausbildung gedeckt werden. Für den Anfang sei dies allerdings nicht möglich. Dafür sei die Lücke zu groß, bedauert SKB-Chefin Wolter. Darum müssen Krankenschwestern angeworben werden.

Pflegedirektor Lutz Plechen ist extra nach Manila gereist, um 20 Krankenschwestern zu verpflichten. Die Frauen seien »hoch motiviert«, berichtet Plechen. Die 40, mit denen er Vorstellungsgespräche geführt hat, hätte er im Prinzip alle nehmen können, sagt er. Die Ausbildung bestehe auf den Philippinen aus einem Bachelorstudium, das die Krankenschwestern selbst finanzieren müssen. Entsprechend groß sei der Wunsch, eine gut bezahlte Arbeit zu finden. Einen Arbeitsgenehmigung in Deutschland haben die 20 Schwestern, die einen Arbeitsvertrag erhielten, schon beantragt. Im Moment verbessern sie in ihrer Heimat ihre Deutschkenntnisse. Voraussichtlich in einem halben Jahr werden sie in Brandenburg/Havel eintreffen und hier erst einmal Kurse besuchen. Derweil sind Ukrainerinnen schon da und müssen noch eine Prüfung absolvieren.

Im Tarifvertrag steht, dass ab dem Jahr 2021 eine normale Station montags bis freitags im Früh- und Spätdienst mit fünf Krankenschwestern beziehungsweise Krankenpflegern besetzt sein soll, die Stationsleiterin nicht mitgerechnet. Für den Fall, dass diese Zahl unterschritten wird, sind Entlastungsmaßnahmen vorgesehen, die spätestens nach 24 Stunden Unterbesetzung greifen. Die Station würde dann entweder Verstärkung aus einem Springerpool erhalten oder es werden keine weiteren Patienten aufgenommen (Notfälle ausgenommen) und bei länger anhaltenden Problemen werden Betten abgebaut.

Vier Millionen Euro kostet die Aufstockung des Personals. Die Klinik will das vorfinanzieren, weil die Politik in Aussicht gestellt hat, zusätzliches Pflegepersonal künftig zu vergüten. Für eine Übergangszeit von sechs Monate ist ausgehandelt, dass es je einen Tag Zusatzurlaub gibt, wenn eine Pflegekraft fünf Mal aus ihrem freien Tag zum Dienst gerufen wird.

»Wir brauchen Entlastung für unsere Pflegekräfte, sonst gehen sie dahin, wo sie es leichter haben«, begründet Geschäftsführerin Wolter das Entgegenkommen. In der Vergangenheit haben Beschäftigte signalisiert, dass sie einfach nicht mehr können.

»Das war eine wichtige Aussage, dass der Arbeitgeber das verstanden hat«, lobt Vize-Betriebsratschef Andreas Kutsche, der die Vereinbarungen mit ausgehandelt hat. Er sieht mit dem Tarifvertrag das Potenzial für das Klinikum, zum attraktivsten Arbeitgeber in der Stadt, ja sogar im Land Brandenburg aufzusteigen.

Die Gewerkschaft ver.di hat versprochen, unter den Krankenschwestern Werbung für das SKB zu machen. Bei einer Klinik, die gute Arbeitsbedingungen vertraglich vereinbart, könne man dies guten Gewissens tun, bemerkt ver.di-Sekretärin Spies anerkennend. Auch beim Gehalt winkt noch ein Aufschlag. Über die Tarife wird demnächst wieder verhandelt - und SKB-Chefin Wolter sichert zu, »dass wir den Anschluss nicht verpassen wollen«.

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