Täter »nicht klar im Oberstübchen«

Innenminister präsentierte die Bilanz der politisch motivierten Kriminalität des Jahres 2018

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Insgesamt hat die politisch motivierte Kriminalität im Land Brandenburg im vergangenen Jahr weiter abgenommen. Die Zahl der Delikte sank um 13 Prozent auf 1953. Mit 58,4 Prozent lag die Aufklärungsquote außerdem höher als im Jahr 2017. Damals hatte diese Quote 54,3 Prozent betragen.

Dennoch gebe es keinen Anlass zur Entwarnung, sagte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) am Montag, als er die Zahlen vorlegte. Denn gestiegen ist die Zahl rechter Straftaten. Der Anstieg gehe allerdings auf das Konto von deutlich mehr Propagandadelikten, schränkte der Innenminister ein. Ein Propagandadelikt ist beispielsweise das Zeigen des Hitlergrußes. Die Zahl rechter Gewalttaten entspreche mit 123 dem Wert von 2017, erklärte Schröter. Bei 103 rechten Gewalttaten sei Fremdenfeindlichkeit das Motiv gewesen. Das sei nach wie vor viel, fügte Schröter hinzu. Schwerpunkte rechter Delikte waren die Uckermark und Cottbus. Anschläge auf Asylheime gab es immerhin nur noch zwei.

Fakten
  • Mit knapp 2000 politisch motivierten Straftaten lag Brandenburg 2018 in etwa bei den Werten von 2015. Tote hat es keine gegeben.
  • Die politische Kriminalität macht acht Prozent der Gesamtkriminalität aus.
  • Die Zahl der von der Polizei erfassten politisch motivierten Gewaltstraftaten ist von 176 auf 157 gesunken.
  • 160 Straftaten waren im Jahr 2018 keiner konkreten Tätergruppe zuzuordnen. Im Jahr 2017 war bei 349 Straftaten unklar, wo die Täter politisch zu verorten sind.
  • Die Statistik vermerkt für das vergangene Jahr brandenburgweit zwölf Angriffe auf Abgeordneten- oder Parteibüros der AfD, sieben auf Büros der Linkspartei, drei auf Büros der Grünen und zwei auf Büros der CDU. Das waren annähernd auch die Werte des Jahres davor. winei

Man habe es mit »Bekloppten« zu tun, mit Menschen, die »nicht ganz klar im Oberstübchen sind«, sagte Schröter über den Täterkreis. Ob jung oder älter - zu 70 bis 80 Prozent handle es sich um polizeibekannte, einschlägig erfasste Personen. Die Polizei zeige ihnen gegenüber eine »harte Kante«.

Ihm gefalle aber nicht, wie manche Richter mit den ermittelten Tatverdächtigen umgehen, sagte Schröter. Er verwies auf einen aktuellen Fall, bei dem ein junger Mann mit einer Maschinenpistole vom Typ Kalaschnikow von der Polizei erwischt und von einem Richter umgehend wieder auf freien Fuß gesetzt worden sei. »Der Verdächtige hat jetzt alle Zeit der Welt, die Herkunft dieser Waffe zu verschleiern«, protestierte Schröter. Dafür bringe er kein Verständnis auf, das demotiviere die Polizisten. Richter sollten sich nicht nur im unteren Bereich des Strafmaßes bewegen, sondern angemessen die Skala des Strafrechtes ausschöpfen.

Der Verein Opferperspektive hat für das vergangene Jahr 174 Fälle rechter Gewalt in Brandenburg gezählt. Das sind deutlich mehr als in der Polizeistatistik erfasst. Das kann daran liegen, dass der Verein Fälle mitzählt, von denen er aus der Presse oder von Opfern erfahren hat, die aber nicht zur Anzeige gebracht worden sind.

Die Zahl der Straftaten, die von der Polizei dem linken Spektrum zugeordnet werden, ist um 171 auf 190 gesunken. Den starken Rückgang erklärte Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke mit dem Ausbleiben von Pegida-Demonstrationen sowie auch damit, dass die Bundestagswahl 2017 naturgemäß ein höheres Maß an Zerstörung von Wahlplakaten mit sich gebracht habe. Politisch links motivierte Straftaten werden meist aus Gegendemonstrationen heraus begangen. Angegriffen werde dabei die AfD, heißt es. Schwerpunkt bleibe hier die Stadt Potsdam. Die Zahl der Delikte, die in der Statistik unter Terrorismus verbucht werden, ist binnen eines Jahres von 20 auf zwölf gefallen. Die Fälle bedeuten allerdings nicht, dass es in Brandenburg ein echtes Problem mit Terrorismus gebe. Dass solche Dinge überhaupt in der Statistik auftauchen, hänge damit zusammen, dass Flüchtlinge mitunter gegenüber Behörden angeben, dass sie sich früher bei der Terrormiliz Islamischer Staat aufgehalten haben, erläuterte Polizeipräsident Mörke. Ihm zufolge behaupten diese Menschen dann meistens, sie seien zum IS gezwungen worden oder dort »nur Kraftfahrer« gewesen. Bei Hinrichtungen seien sie zwar anwesend gewesen, daran beteiligt hätten sie sich aber nicht. In solchen Fällen werde ermittelt. Innenminister Schröter sprach von einer Zahl islamistischer »Gefährder« im Bundesland »im hohen einstelligen Bereich oder im niedrigen zweistelligen Bereich«. Manche werden verurteilt, manche verlassen Brandenburg.

Nach dem Anschlag auf zwei Moscheen in Neuseeland habe es automatisch eine Neubewertung der Gefährdungslage durch das Bundeskriminalamt gegeben, die im Landeskriminalamt noch einmal mit den hiesigen Gegebenheiten abgeglichen worden sei, sagte Schröter. Demzufolge gebe es derzeit »keine konkrete Gefährdung muslimischer Einrichtungen in Brandenburg«. Umgekehrt lasse sich sagen, dass die Gefahr islamistischer Anschläge in Europa nach wie vor hoch sei, es aber keinen konkreten Anhaltspunkt dafür gebe, dass so etwas in Brandenburg geplant sei.

Der Landtagsabgeordnete Björn Lakenmacher (CDU) warnte, die Gefahr durch Islamisten dürfe »nicht kleingeredet oder unterschätzt werden«. Die Abgeordnete Ursula Nonnemacher (Grüne) bezeichnete es als »gesamtgesellschaftliche Aufgabe, rechtsextremistischen Straftaten den Boden zu entziehen«. Nach Ansicht des Abgeordneten Hans-Jürgen Scharfenberg (LINKE) ist hier Zivilcourage gefragt - »ob im Sportverein oder am Arbeitsplatz«.

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