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Die Stimme der Vielen
Deutscher Rap: Ebow
Deutschland hat mit dem Thema Migration nach wie vor so seine Baustellen. Die einen hassen und träumen von Reinheit, Abschiebungen und Schießbefehl; andere romantisieren und reduzieren komplexe Menschen auf vermeintlich positive Klischees. Akzeptanz, Normalität und vor allem Zuhören gibt es selten. Letzteres lohnt sich derzeit vor allem bei der Münchner Rapperin Ebow. Das soeben erschienene dritte Album der 29-Jährigen ist sehr tanzbar und teilt dabei unerbittlich gegen den Stumpfsinn in Deutschland aus. Die 14 Tracks sind nicht nur eine feministische Ansage an ein vor Sexismus triefendes Genre. Ebow, mit bürgerlichem Namen Ebru Düzgün, hat auch eine Hymne auf die real existierende Einwanderungsgesellschaft geschrieben. Ein intersektionaler Fausthieb, kurzgesagt.
Der Name des Albums, »K4L«, steht für »Kanak for Life« - Kanake fürs Leben. Der beleidigende Begriff wird von Ebow in selbstermächtigender Absicht übernommen und selbstbewusst gegenüber einer weißen Mehrheitsbevölkerung (»Almans«) verteidigt. Die eigene Identität sieht sie nicht nur durch Nazis gefährdet, auch wohlmeinende Hipster mit Exotismus-Fetisch und Vereinnahmungstendenzen seien Teil des Problems. »Ihr begehrt uns, aber ihr respektiert uns nicht«, spricht die Journalistin Hengameh Yaghoobifarah in einer Zwischenansage ein.
Im gleichnamigen Track »K4L« beschwört Ebow den Zusammenhalt der migrantischen Gemeinschaft. Gleichzeitig macht sie sich zum Sprachrohr von Generationen: »In mir drinnen stecken 1000 Leben/ Hab’ Flure geputzt, Häuser gebaut/ Wurde ausgenutzt, wurde ausgesaugt.« Ebow, deren Großeltern als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland kamen, beschreibt die Wut und Frustration der Eingewanderten und ihrer Kinder: Egal, wie sehr man sich anstrengt, so richtig dazugehören darf man eben nie. Am Ende kommen doch wieder Sarrazin und die »Bild«-Zeitung und erzählen Scheiße. »Ihr habt nie an uns geglaubt/ Wir waren immer, was ihr braucht«, heißt es entsprechend. Die logische Folge in der »Kanaken-Welt« von 2019: »In mir steckt der Zorn/ Meiner Oma, meiner Mama/ Meiner Tanten drinne.«
Das Album ist vielfältig. Mit dem Track »Schmeck mein Blut« fordert Ebow angriffslustig die Knechtschaft des Patriarchats, von Brüderle bis Kollegah. Andere verträumtere, R’n’B-lastige Tracks handeln von Liebe, Betrug und Rausch. Immer geht es um die Familie. Ebow betont die prägende Vorbildrolle, die ihre Mutter und Großmutter für sie hatte, bevor sie nach Wien zum Architekturstudium zog. Ihr Cousin beginnt das Album mit einem Gedicht in der Zaza-Sprache. Mit Guerilla-Auftritten in Waschsalons und Straßenbahnen erlangte Düzgün erstmals Bekanntheit. Heute gibt es einen kleinen Hype um sie. Für den deutschsprachigen Rap ist das gut.
Ebow: »K4L« (Problembär Records)
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