Erwerbslose nicht gezählt

Nachdem mehr als 100.000 Menschen nicht in der Statistik auftauchten, hat die Bundesagentur nachgebessert

  • Alina Leimbach
  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Nach Kritik an der Zählung von Arbeitslosen hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) reagiert. Wie eine Sprecherin dem »neuen deutschland« mitteilte, seien neue Kontrollmechanismen bereits eingeführt worden. Die Deutsche Presseagentur hatte zuerst auf diese hingewiesen.

Der Bundesrechnungshof hatte Ende Februar auf umfangreiche mögliche Erfassungsfehler bei Hartz-IV-Empfänger*innen aufmerksam gemacht. In einem bisher unveröffentlichten Bericht schrieben die Rechnungsprüfer*innen damals, die Jobcenter hätten zuletzt rund 290 000 Menschen mit einem falschen Status an die BA-Statistik gemeldet - 8,6 Prozent der Leistungsempfänger. Demnach wären rund 115 000 Arbeitslose nicht als solche erfasst worden. Die Rechnungsprüfer zogen laut dem der dpa vorliegenden Bericht dabei bereits jene ab, die fälschlich und somit zu viel als arbeitslos registriert gewesen seien. Der Rechnungshof stützte sich auf eine Stichprobe von 770 Fällen in 219 Jobcentern.

Doch wie kann es sein, dass die für die Statistik zuständige Bundesagentur einfach so Arbeitslose »vergisst«? Auf »nd«-Anfrage sagte eine Sprecherin: »Eine Fehlerquelle war, dass Kunden beispielsweise nach der Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme, nicht entsprechend zeitnah zurückgeordnet werden konnten, weil sie oder ihr Berater wegen Krankheit den Termin nicht wahrnehmen konnten.« Wer an einer Maßnahme oder ähnlichem teilnimmt, gilt temporär als nicht mehr »arbeitslos«, sondern nur noch als »arbeitssuchend« - und taucht entsprchend nicht in der Arbeitslodenstatistik auf. Nach dem Ende des Programms ändert sich dieser Status allerdings wieder.

Dass das falsche Deklarieren von immerhin fast neun Prozent der Leistungsempfänger*innen systematische Ursachen habe, weist die Bundesagentur zurück. Davon gehe der Bundesrechnungshof in seinem Berichtsentwurf »an keiner Stelle« aus, so die BA in einer Pressemitteilung.

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Beate Müller-Gemmeke, sagte dem »nd«: »Natürlich sind wirkungsvolle Prüfsysteme wichtig. Vor allem aber müssen die Beraterinnen und Berater von unsinnigen und bürokratischen Aufgaben entlastet werden.« Mit »unsinnigen Aufgaben« meint sie konkret auch die Sanktionen. Ihre Abschaffung würde den Mitarbeitenden der Jobcenter mehr Zeit geben für bessere Beratung und Betreuung.

Die Statistik der BA steht an sich bereits seit Jahren in der Kritik. Schon wer an einem Sprachkurs teilnimmt, krank ist, oder mit über 58 Jahren länger als ein Jahr keinen Job hat, wird in ihr nicht mehr als »arbeitslos« gezählt. Würde man all diese Menschen mitzählen, käme man im März 2019 auf über 900.000 Arbeitslose mehr, als die BA offiziell angibt. Die LINKEN-Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann forderte gegenüber der dpa eine Statistik, »die das wahre Ausmaß des Problems korrekt abbildet und keine künstliche Beschönigung der Zahlen zulässt«. /mit dpa

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