Athen fordert Milliarden für Nazi-Verbrechen

Mehrheit im griechischen Parlament will diplomatische und rechtliche Schritte einleiten / Expertenkommission spricht von etwa 290 Milliarden Euro Entschädigung

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Athen. Das griechische Parlament hat am Mittwochabend beschlossen, offiziell von Deutschland Reparationszahlungen für die Kriegsschäden und -verbrechen im Zweiten Weltkrieg einzufordern. Es geht einer griechischen Expertenkommission zufolge um bis zu 290 Milliarden Euro, was in etwa zwei Drittel der aktuellen Staatsschulden Griechenlands entspricht.

Mit großer Mehrheit stimmte das Plenum für eine Vorlage des Parlamentspräsidenten Nikos Voutsis, mit der die griechische Regierung aufgefordert wird, alle notwendigen diplomatischen und rechtlichen Schritte einzuleiten.

Zunächst soll es sich dabei um eine sogenannte Verbalnote handeln, üblicherweise die schriftliche Nachricht eines anderen Staates an das deutsche Außenministerium. »Die Forderung von Reparationszahlungen ist für uns eine historische und moralische Pflicht«, sagte Regierungschef Alexis Tsipras in seiner Rede vor dem Parlament am Mittwochabend.

Bei der Debatte hatte es zuvor im Laufe des Tages bittere Momente gegeben, etwa als Augenzeugenberichte von Nazimassakern in griechischen Dörfern verlesen wurden. Aber auch Kritiker nutzten die Gunst der Stunde: Ministerpräsident Alexis Tsipras wolle mit den Reparationsforderungen nur Stimmen für die im Oktober anstehende Parlamentswahl gewinnen, hieß es.

Er habe das Thema nicht mit der schweren Finanzkrise der vergangenen Jahre und den Schulden des Landes verquicken wollen, erklärte Tsipras. Jetzt aber, nach dem Ende der internationalen Kreditprogramme, sei der richtige Zeitpunkt gekommen. »Wir haben jetzt die Chance, dieses Kapitel für beide Völker abzuschließen.« Wichtig sei ihm, mit Deutschland auf Augenhöhe und freundschaftlich zusammenzukommen.

Schon während der Hochphase der griechischen Finanzkrise im Wahljahr 2015 war erbittert über das Thema diskutiert worden. Thema war vor allem die »Erstattung von Besatzungskosten«, die von Hitler-Deutschland erzwungenen worden waren. Die Bank von Griechenland musste damals dem Deutschen Reich eine Zwangsanleihe von 476 Millionen Reichsmark zugestehen, ein Zwangskredit der von der Bundesrepublik als Nachfolgestaat nie zurückgezahlt wurde.

Von Deutschland sei ohnehin nichts zu erwarten, warnten jetzt Parlamentarier: »Die deutsche Seite ist der Meinung, dass sie das Thema mit der Zahlung von 160 Millionen Mark an die Opfer und der Aufnahme von rund 420.000 Gastarbeitern abgegolten hat«, sagte Oppositionspolitiker Vasilis Leventis.

Tatsächlich sieht Deutschland das Thema als erledigt an; die Regierung in Berlin stützt sich dabei auf den 1990 zur Wiedervereinigung unterzeichneten Zwei-plus-Vier-Vertrag. Die Frage nach Reparationen sei juristisch wie politisch abschließend geregelt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Juristen und Historiker beider Länder sind sich jedoch uneins über das Anrecht der Griechen auf Reparationen. Der Konflikt könnte schließlich vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag landen. dpa/nd

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