+++ Bundespräsident Van der Bellen: »So ist Österreich einfach nicht« +++

Abstimmung soll »zum schnellstmöglichen Zeitpunkt« stattfinden / Vizekanzler Heinz-Christian Strache zurückgetreten / Auch Fraktionschef Gudenus zieht Konsequenzen

  • Lesedauer: 14 Min.

Update 21:48 Uhr: »Brauchen Neuaufbau des Vertrauens«
Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat dafür ausgesprochen, mit einer Neuwahl neues Vertrauen im Land aufzubauen. Damit nahm er den Vorschlag von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an. »Wem immer von den Wählerinnen und Wählern das Vertrauen geschenkt wird, hat sein Amt in Demut aufzufüllen«, sagte Van der Bellen am Samstagabend in Wien. »Wir brauchen in diesem Sinne einen Neuaufbau des Vertrauens. Dieser Neuaufbau geht in diesem Fall nur mit Neuwahlen.«

Mit Blick auf das Skandal-Video von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sprach der Bundespräsident von Bildern, die ein verstörendes Sittenbild zeigten. In dem Video ist zu sehen, wie Strache 2017 einer vermeintlichen russischen Oligarchin auf Ibiza öffentliche Aufträge und Aussicht gestellt hatte, wenn sie der rechtsradikalen FPÖ zum Wahlerfolg verhelfe.

»So ist Österreich einfach nicht«, sagte er. »Was dieses Sittenbild aber auch zeigt (...), ist eine dreiste Respektlosigkeit den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes gegenüber.« Verantwortungsträger der Republik hätten das in sie gesetzte Vertrauen gebrochen. »Die österreichische Bevölkerung muss sich auf die Integrität der Regierung, die Integrität der Verantwortungsträger und die Integrität der Institutionen verlassen können.« Ausdrücklich lobte Van der Bellen die Rolle der Medien, die Strache scharf angegriffen hatte. Nun sei weitere schonungslose Aufklärung durch Regierung und Justiz nötig.

Update 20:46 Uhr: »Neuwahlen zum schnellstmöglichen Zeitpunkt«
Der Skandal um ein Enthüllungsvideo über den FPÖ-Frontmann Heinz-Christian Strache hat in Österreich eine Regierungskrise ausgelöst. Kanzler Sebastian Kurz kündigte am Abend Neuwahlen an. Die Enthüllungen werden das Land noch lange beschäftigen, berichtet Michael Bonvalot aus Wien.

Update 20:28 Uhr: Kein weiter so, aber auch nicht zurück
Die Regierungskrise erwischt Österreichs Linke kalt. Nun ist es möglich und auch dringend nötig, sich neu aufzustellen, kommentiert nd-Redakteurin Nelli Tügel die Ankündigung von Neuwahlen in Österreich.

Update 20:02 Uhr: Kurz kündet Neuwahlen an
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat die Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ aufgekündigt. Er habe dem Bundespräsidenten vorgeschlagen, »vorgezogene Wahlen in Österreich durchzuführen - und zwar zum schnellstmöglichen Zeitpunkt«, sagte Kurz am Abend in Wien.

Update 18:42 Uhr: »Es ist Zeit, diesem Spuk ein Ende zu machen«
Alle warten auf den Auftritt von Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Die Opposition ist sich indes einig, dass der einzige Ausweg aus der Regierungskrise Neuwahlen sein können.

Die oppositionellen Sozialdemokraten sprachen vom »wohl größten politischen Skandal der Zweiten Republik«. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner erklärte: »Es ist Zeit, diesem Spuk ein Ende zu machen. Für Bundeskanzler Kurz gibt es nur einen Weg: Der Gang zum Bundespräsidenten.« Sie fügte hinzu: »Das Video zeigt alles, sagt alles und lässt tief blicken. Der Weg in die illiberale Demokratie - für manche offenbar ein Synonym für Kleptokratie - war lang geplant.«

Die Chefin der neoliberalen Neos, Beate Meinl-Reisinger, erklärte zum Video: »Das ist unfassbar. Das ist das Korrupteste und Widerlichste, was ich gesehen habe.«

»Wir sorgen uns auch um das Image Österreichs«, sagte Österreichs Grünen-Chef Werner Kogler. »Wenn Sebastian Kurz mit der Regierung weitermacht, dann nimmt er Schaden für die Republik Österreich in Kauf.«

Update 18:10 Uhr: Hinweise auf Neuwahlen verdichten sich
In Österreich verdichten sich die Hinweise auf eine Neuwahl. Diese Entscheidung sei praktisch sicher, will die Deutsche Presse-Agentur am aus politischen Kreisen erfahren haben. Eine Einigung von ÖVP und FPÖ auf eine Fortsetzung der Koalition sei an einer Personalie gescheitert, berichtete die österreichische Nachrichtenagentur APA.

Die ÖVP soll von der FPÖ die Absetzung von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) verlangt haben, um ihr ehemaliges Kernressort wieder selbst zu übernehmen. Darauf wollte sich die FPÖ den Angaben zufolge nicht einlassen.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat ein Statement für 19.45 Uhr angekündigt. Im Anschluss will Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Öffentlichkeit sprechen.

Update 17:16 Uhr: Mehr als zehntausend Menschen fordern Neuwahlen
Mehrere tausend Menschen protestieren inzwischen seit Stunden auf dem Ballhausplatz in Wien gegen die schwarz-blaue Regierung. Der ORF schätzt etwa 10.000 Teilnehmende, andere Beobachter sprechen sogar von bis zu 15.000. Diese wollen offenbar ausharren, bis sich Kanzler Sebastian Kurz am Abend gegen 19.45 Uhr zur Regierungskrise äußert. Aus Sicht der Protestierenden kann Kurz dabei nur eine Antwort geben. Wiederholt wird in Sprechchören gefordert: »Schwarz-Blau muss weg!«

Update 16:57 Uhr: Bundespräsident Van der Bellen kündigt Statement an
Nach dem Rücktritt von Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache will sich Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Samstagabend zur Zukunft der Regierungskoalition äußern. Kurz werde um 19.45 Uhr ein Statement im Bundeskanzleramt abgeben, bestätigte ein Sprecher des Kanzleramts am Samstagnachmittag mit. Danach will sich auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen an die Öffentlichkeit wenden.

Nach dem Rücktritt Straches von allen politischen Ämtern geht es um die Frage, ob die konservative ÖVP die Koalition mit der rechten FPÖ fortsetzt, die Regierung umgebildet wird oder eine Neuwahl anstrebt. Auch eine Minderheitsregierung scheint denkbar.

Update 16:35 Uhr: Alle warten auf Kurz
Nach dem Rücktritt von FPÖ-Vizekanzler Strache hatte Kanzler Sebastian Kurz (FPÖ) ebenfalls ein Statement angekündigt. Ursprünglich bereits für 13.30 Uhr angekündigt, verzögert sich die Pressekonferenz inzwischen allerdings seit mehreren Stunden. Inzwischen heißt es, Kurz werde sich erst um 19.45 Uhr äußern.

Die Verzögerungen sprechen dafür, dass in der Koalition und in der ÖVP-Spitze um die möglichen Konsequenzen hart gerungen wird. Der ORF berichtet, Kanzler Kurz fordere für den Fortbestand der Koalition den Rücktritt des ebenfalls umstrittenen FPÖ-Innenministers Herbert Kickl. Die Rechtsaußenpartei lehne dies bisher allerdings ab.

Update 14:52 Uhr: »Ein einfacher Rücktritt von FPÖ-Chef Strache reicht nicht aus.«
SPD-Chefin Andrea Nahles fordert ein Ende der Koalition zwischen der konservativen ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ in Österreich. »In Österreich muss es Neuwahlen geben«, sagte Nahles dem Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« nach dem Rücktritt des österreichischen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache (FPÖ). »Ein einfacher Rücktritt von FPÖ-Chef Strache reicht nicht aus.«

Nahles wies darauf hin, dass Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) den Rechtspopulisten in die Regierung gebracht habe. »Noch vor wenigen Wochen hat sich auch die Union im zweifelhaften Glanz der Konservativ-Rechts-Koalition aus Österreich gesonnt«, sagte Nahles.

Update 14.45 Uhr: »Alkohol - zerstört rechte Karrieren seit 2008«.
Die PARTEI Österreich veröffentlichte auf Twitter neben einem Foto von Heinz-Christian Strache ein Bild des verstorbenen Rechtspopulisten Jörg Haider, der bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Dazu schrieb die Satirepartei: »Alkohol - zerstört rechte Karrieren seit 2008«.

Update 14.15 Uhr: EVP muss aus FPÖ-Skandal Konsequenzen ziehen
Die Grünen fordern von den europäischen Christdemokraten Konsequenzen aus dem Skandal um den österreichischen Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Die EVP mit ihrem Europawahl-Spitzenkandidaten Manfred Weber (CSU) müsse »einen klaren Beschluss zur Abgrenzung von den Rechtsradikalen und Rechtspopulisten treffen«, sagte der Grünen-Spitzenkandidat zur Europawahl, Sven Giegold, der Funke Mediengruppe. »Weber muss sich entscheiden, ob er die Europäische Kommission führen oder Spitzenkandidat einer rechten Allianz sein will«, sagte Giegold. »Die Christdemokraten in Europa sollten ihre Allianzen mit Rechten wie der FPÖ in Österreich, den Vereinigten Patrioten in Bulgarien oder der radikalen VOX-Partei in Andalusien beenden und sich klar von Demokratiefeinden distanzieren.« Zur EVP gehören neben CDU und CSU auch die mit der FPÖ koalierende österreichische Kanzlerpartei ÖVP sowie zahlreiche andere Parteien im EU-Parlament.

Update 13.49 Uhr: Tausende Menschen fordern in Wien Neuwahlen
Die politische Krise lässt auch die Bevölkerung nicht kalt. Zur Stunde haben sich mehrere tausend Menschen auf dem Wiener Ballhausplatz vor dem Kanzleramt versammelt, um gegen die Regierung zu protestieren. Die einhellige Forderung: Neuwahlen müssen her. Auf Bildern in den sozialen Netzwerken und beim ORF ist zu sehen, dass der Protest immer weiter anwächst. Auch zahlreiche Oppositionpolitiker und linke Gruppen befinden sich unter den Demonstrierenden.

Update 13.20 Uhr: Nach Strache tritt auch FPÖ-Fraktionschef Gudenus zurück
Nach Österreichs Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) ist auch der FPÖ-Fraktionschef im Nationalrat, Johann Gudenus, wegen der Video-Affäre von allen politischen Ämtern zurückgetreten. Diesen Schritt teilte der 42-Jährige am Samstag mit. Er wolle sein »tiefstes Bedauern über die zwei Jahre zurückliegenden Vorkommnisse zum Ausdruck bringen«, erklärte Gudenus, der bei dem Treffen in der Villa auf Ibiza als Dolmetscher fungiert hatte. Er bedaure zutiefst, durch sein Verhalten das in ihn gesetzte Vertrauen der Wähler, Funktionäre und Mitarbeiter enttäuscht zu haben.

Update 13.10 Uhr: Satiriker Böhmermann kannte Strache-Video
Der Satiriker Jan Böhmermann hat das heikle Video mit heimlichen Aufnahmen des FPÖ-Politikers Heinz-Christian Strache bereits vor Wochen gekannt. Das bestätigte sein Manager Peter Burtz am Samstag der dpa. Er dementierte aber, dass die Aufnahmen Böhmermann angeboten worden seien. Da sie ihm nicht angeboten worden seien, habe er sie auch nicht abgelehnt. Woher Böhmermann die Aufnahmen kannte, wisse er nicht, sagte Burtz.

Böhmermann hatte bereits im April bei der Verleihung des österreichischen TV-Preises Romy in einer Video-Botschaft Andeutungen zu dem Fall gemacht. Den Preis könne er nicht persönlich abholen, weil er »gerade ziemlich zugekokst und Red-Bull-betankt mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Oligarchen-Villa auf Ibiza rumhänge«, hatte Böhmermann gesagt. Er verhandele gerade, wie er die »Kronen Zeitung« übernehmen könne, dürfe darüber aber nicht reden.

Der Auftritt hatte ihm scharfe Kritik in österreichischen Medien eingebracht. Er würdige die österreichische Regierung herab, hieß es damals.

Update 13.00 Uhr: »Doch die Fassade reicht nicht mal bis Ibiza.«
Auch in der deutschen Politik gibt es zahlreiche Reaktionen auf die Regierungskrise in Österreich. »Die österreichischen Rechten um Strache inszenieren sich gern als 'Partei des kleinen Mannes' Doch die Fassade reicht nicht mal bis Ibiza. Beim Plausch mit russischen Oligarchen kommt das wahre Gesicht der FPÖ zum Vorschein: Partei der Reichen, korrupt und dreist«, erklärte LINKEN-Parteichef Bernd Riexinger via Twitter.

Ähnlich sieht dies Grünen-Chefin Annalena Baerbock: »Dieser ungeheuerliche Skandal zeigt, Rechtspopulisten verachten unsere Werte wie Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit und arbeiten an der systematischen Aushöhlung der Demokratie«, sagte sie der »Welt am Sonntag«.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil erklärte auf Twitter, dass es jetzt nur eine Option für die ÖVP-FPÖ-Regierung in Österreich gäbe. »Sebastian Kurz hat keine andere Möglichkeit als diese Regierung sofort zu beenden und sich dafür zu entschuldigen, dass er Spaltern und Hetzern wie Strache Verantwortung übertragen hat.«

Update 12.50 Uhr: Wie reagiert Kanzler Kurz?
Österreichs Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) hat am Samstag seinen Rücktritt von allen Ämtern angeboten. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) werde das Angebot annehmen, sagte Strache in Wien. Neben dem Regierungsamt gibt der 49-Jährige auch die Führung der FPÖ auf. Er zog damit die Konsequenzen aus der Video-Affäre. In einem 2017 heimlich aufgenommenen Video verspricht Strache einer angeblichen russischen Oligarchin für Wahlkampfhilfe unter anderem öffentliche Aufträge, sollte die FPÖ an die Regierung kommen.

Strache entschuldigte sich für sein Verhalten. »Ja, es war dumm, es war unverantwortlich und es war ein Fehler«, räumte er ein. Zugleich sprach er von einem »gezielten politischen Attentat« und einer »geheimdienstlich inszenierten Lockfalle«. Er werde alle medienrechtlichen und strafrechtlichen Mittel ausschöpfen.

Das von »Spiegel« und »Süddeutscher Zeitung« verbreitete Video aus dem Jahr 2017 zeigt den heutigen Vizekanzler und FPÖ-Chef im Gespräch mit einer angeblichen russischen Oligarchin. Dabei geht es unter anderem um die Idee, die Frau solle die auflagenstärkste Zeitung Österreichs, die »Kronen Zeitung« erwerben, die FPÖ publizistisch fördern und im Gegenzug öffentliche Aufträge erhalten, sobald die Partei an der Regierung ist.

Das Video entstand wenige Monate vor der Nationalratswahl 2017. Damals hatte die ÖVP unter Sebastian Kurz gerade die Koalition mit der SPÖ beendet. Bei der Wahl kam die FPÖ auf 26 Prozent.

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte am Samstagvormittag nach dpa-Informationen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ausgeschlossen. Die Frage ist nun, ob Kurz das Bündnis mit einem Nachfolger Straches fortsetzen oder Neuwahlen will. Als möglicher Nachfolger gilt der ehemalige FPÖ-Bundespräsidentschafts-Kandidat Norbert Hofer. Er ist im Kabinett aktuell Verkehrsminister und soll nun auch die FPÖ-Führung übernehmen.

Update 12.30 Uhr: Vizekanzler Heinz-Christian Strache tritt zurück
Wegen des Skandals um ein Enthüllungsvideo ist Österreichs Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zurückgetreten. Strache sagte nach einem Treffen am Samstag mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Wien, dieser habe seinen Rücktritt angenommen. Hintergrund ist ein Video, in dem sich Strache vor der Parlamentswahl 2017 bereit zeigt, als Gegenleistung für finanzielle Unterstützung im Wahlkampf öffentliche Aufträge an die angebliche Nichte eines russischen Oligarchen zu vergeben.

Skandal um Rechtspopulisten belastet Koalition in Wien

Wien. Ein heimlich gefilmtes Video, in dem Österreichs Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache offenbar Staatsaufträge im Austausch für Wahlkampfhilfe in Aussicht stellt, setzt die Regierung in Wien schwer unter Druck.

Als Reaktion will Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) offenbar seinen Vizekanzler Heinz-Strache zum Rücktritt auffordern. Das berichteten österreichische Medien vor einem Treffen von Kurz und FPÖ-Chef Strache am Samstagvormittag im Kanzleramt in Wien. Strache wollte laut der Nachrichtenagentur APA um 12.00 Uhr eine Erklärung abgeben.

Auch Kurz, dessen konservative ÖVP in einer Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ regiert, wollte sich nach Angaben eines Regierungssprechers am Samstag äußern. APA berichtete unter Berufung auf FPÖ-Kreise, dass die Rechtspopulisten die Koalition offenbar mit Verkehrsminister Norbert Hofer als Vizekanzler fortsetzen wollen. Ob Kurz darauf eingehen würde oder Neuwahlen anstrebe, war demnach offen.

Die oppositionelle SPÖ sprach am Freitag vom »größten Skandal« in der jüngeren Geschichte des Landes. Die liberale Partei Neos bezeichnete Neuwahlen nun als »unvermeidlich«.

Mit ihren Rücktrittsforderungen an Vizekanzler Strache, der zugleich an der Spitze der rechtspoulisitschen FPÖ steht, reagierte die österreichische Opposition auf Berichte von »Süddeutscher Zeitung« und »Spiegel«. Sie legten unter Berufung auf ihnen zugespielten Videoaufnahmen dar, dass Strache sich vor der österreichischen Parlamentswahl 2017 bereit gezeigt habe, als Gegenleistung für Unterstützung im Wahlkampf öffentliche Aufträge zu vergeben.

Heimlich gedrehtes Video bringt Strache in Bedrängnis

Die ohne Straches Wissen angefertigten Aufnahmen dokumentieren demnach ein Treffen des FPÖ-Chefs und seines Vertrauten Johann Gudenus, dem heutigen FPÖ-Fraktionsvorsitzenden, mit der angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen. Das Treffen habe im Juli 2017 auf Ibiza stattgefunden. Die Frau habe angegeben, rund eine Viertelmilliarde Euro in Österreich investieren zu wollen, und deutete laut »Spiegel« und »SZ« mehrmals an, dass es sich dabei um Schwarzgeld handeln könnte.

Trotzdem seien Strache und Gudenus gut sechs Stunden lang bei dem Treffen sitzen geblieben und hätten über Anlagemöglichkeiten in Österreich diskutiert. Das Treffen war laut »SZ« und »Spiegel« offensichtlich als Falle für die FPÖ-Politiker organisiert worden.

Die beiden Politiker hätten die Zusammenkunft in der Villa auf Ibiza auf Anfrage eingeräumt. Es sei »ein rein privates« Treffen in »lockerer, ungezwungener und feuchtfröhlicher Urlaubsatmosphäre« gewesen, erklärte Strache. »Auf die relevanten gesetzlichen Bestimmungen und die Notwendigkeit der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung wurde von mir in diesem Gespräch bei allen Themen mehrmals hingewiesen.«

Ein Szenario, das die Runde den Berichten zufolge auslotete, war eine Übernahme der »Kronen Zeitung« durch die Russin. »Wenn sie die 'Kronen Zeitung' übernimmt drei Wochen vor der Wahl und uns zum Platz eins bringt, dann können wir über alles reden«, habe Strache der Frau laut den Videoaufnahmen gesagt.

Konkret habe der FPÖ-Chef ihr öffentliche Aufträge im Straßenbau in Aussicht gestellt, wenn sie der FPÖ zum Erfolg verhelfe: »Dann soll sie eine Firma wie die Strabag gründen. Alle staatlichen Aufträge, die jetzt die Strabag kriegt, kriegt sie dann.« Weiter habe Strachegesagt: »Das Erste in einer Regierungsbeteiligung, was ich heute zusagen kann: Der Haselsteiner kriegt keine Aufträge mehr!« Gemeint ist der langjährige Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner.

Hinweise auf illegale Parteifinanzierung?

Außerdem offenbarten Strache und Gudenus bei dem Treffen laut »SZ« und »Spiegel« ein womöglich illegales System der Parteifinanzierung. »Es gibt ein paar sehr Vermögende. Die zahlen zwischen 500.000 und anderthalb bis zwei Millionen«, sagte Strache laut den Videoaufnahmen. Das Geld fließe aber nicht an die FPÖ, sondern an einen gemeinnützigen Verein. »Dadurch hast du keine Meldungen an den Rechnungshof.«

Strache und Gudenus nennen in dem Video demnach mehrere Namen angeblicher Großspender. Diese dementierten auf Anfrage von »SZ« und »Spiegel«, direkt oder indirekt an die FPÖ gespendet zu haben

Die Enthüllungen kommen insbesondere für die FPÖ zur Unzeit, denn nächste Woche findet die Europawahl statt. Der FPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Harald Vilimsky, sagte nach Angaben des österreichischen Fernsehsenders ORF seine Teilnahme an einem Treffen europäischer Rechtspopulisten am Samstag in Mailand ab. Agenturen/nd

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