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  • Protest gegen Rheinmetall

Aktivisten stürmen Aktionärsversammlung von Rheinmetall

Kriegsgegner besetzten in Berlin das Podium des Konzernvorstandes / Polizei nahm mehrere Personen in Gewahrsam

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Vorstandsvorsitzende des Rüstungskonzerns Rheinmetall, Armin Papperger, will frohe Botschaften verkünden. Der Versammlungsaal im Berliner Maritim-Hotel ist gut gefüllt, mehrere Hundert Aktionäre haben sich am Dienstagvormittag nach strengen Vorkontrollen zur jährlichen Hauptversammlung eingefunden. Weit kommt Papperger mit seiner Jahresbilanz jedoch nicht: Gerade als er seine Rede beginnen will, stehen plötzlich mehrere Personen in der Menge auf. Viele von ihnen tragen Anzug oder Kleid. »Deutsche Waffen, deutsches Geld – morden mit in aller Welt« oder »Iran, Irak, Syrien, Türkei – bei jeder Schweinerei ist Deutschland mit dabei« rufen sie. Eine Flagge der syrisch-kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG wird in die Höhe gehalten.

Ehe die privaten Sicherheitsmitarbeiter reagieren können, stürmen kurzerhand rund 50 im Raum verteilte Aktivisten die Bühne, auf der der Rheinmetall-Vorstand Platz genommen hat. Auf dem mittlerweile besetzten Podium entrollen die Kriegsgegner ein Transparent mit der Aufschrift »Rheinmetall entwaffnen« und zeigen mehrere Plakate. Sie haben sich eingehakt und skandieren Parolen. Rheinmetalls Sicherheitskräfte versuchen, ihnen die Transparente zu entreißen, doch sie bleiben erfolglos. Immer wieder kommt es zu Gerangel.

Nach rund 45 Minuten erreicht die Polizei den Saal. Der Rheinmetall-Vorstand fordert die Beamten auf, dass Hausrecht durchzusetzen und die Protestierer zu entfernen. Die Polizisten drängen daraufhin die Aktivisten nach draußen, einzelne Kriegsgegner werden regelrecht herausgeschleift. Mehrere Demonstranten schreien vor Schmerzen – viele Aktionäre beklatschen den ruppigen Einsatz der Beamten. Anwesende Journalisten werden von privaten Sicherheitsmitarbeitern aufgefordert, keine Filmaufnahmen anzufertigen.

Vor dem Maritim-Hotel kesselt die Polizei neun Protestierer ein. Diese haben zumindest eine schöne Aussicht: Kletterer der Umweltorganisation Greenpeace haben an dem Tagungsgebäude ein Transparent mit der Aufschrift »Rheinmetall-Bomben töten in Jemen« gehisst.

Auf der Hauptversammlung ist derweil wieder Ruhe eingekehrt. Papperger kommt ins Schwärmen: »Im Verteidigungsbereich erleben wir derzeit einen Superzyklus«, sagt der Vorstandsvorsitzende. »Das Marktumfeld ist günstig, auch der deutsche Markt hat wieder an Bedeutung gewonnen.« Mit dem Ergebnis sei man sehr zufrieden, die Ziele seien übertroffen worden. Im ersten Quartal konnte Rheinmetall im Vergleich zum Vorjahreszeitraum seinen Umsatz um sieben Prozent auf rund 1,3 Milliarden Euro steigern, der Auftragsbestand erreichte mit mehr als neun Milliarden Euro einen neuen Rekordwert. »Wir werden mit deutschen Kunden in den nächsten Jahren bis zu zwei Milliarden Euro Umsatz machen«, so Papperger.

Einige Reden von Kriegsgegnern muss sich der Vorstand nichtsdestotrotz noch anhören. »Ihre Rüstungsexportstrategie macht uns immer fassungsloser«, sagt etwa Barbara Happe von der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald auf der Bühne. »Machen sie sich nicht länger mitverantwortlich am Töten im Jemen«, so die Aktivistin. Als deutsches Unternehmen stehe Rheinmetall auch in historischer Verantwortung.

Die Besetzung des Podiums war der Höhepunkt der Proteste, zu denen das Bündnis »Rheinmetall entwaffnen« zuvor aufgerufen hatte. Bereits am Dienstagmorgen hatten sich etwa 150 Menschen mit selbst gebastelten Totenmasken vor der Botschaft von Saudi-Arabien getroffen, um dort gegen den Jemen-Krieg zu demonstrieren. Mehrere Organisationen werfen Rheinmetall vor, dass trotz Exportverbot über Konzerntöchter weiter Waffen auf die arabische Halbinsel geliefert werden. Das Wirtschaftsministerium hatte es im Januar abgelehnt, dieses »Schlupfloch« zu schließen.

Nach dem Besuch der Botschaft Saudi-Arabiens zog der Protestzug zur türkischen Botschaft weiter, wo vor neuen Angriffen auf die nordsyrische Region Rojava gewarnt wurde. Bei dem völkerrechtswidrigen Angriff auf den syrisch-kurdischen Kanton Afrin im Frühjahr 2018 hatte Ankara massiv deutsche Rüstungsgüter eingesetzt.

Rheinmetall kritisierte in einer Stellungnahme die Störung der Hauptversammlung. »Wir respektieren die Meinung Andersdenkender, bitten aber um Fairness in der Auseinandersetzung und verwahren uns gegen falsche Behauptungen«, teilte der Konzern mit. Tobias Maath vom Bündnis »Rheinmetall entwaffnen« antwortete gegenüber »nd«. »Die Profiteure der Kriege sitzen hier, mit deutschen Waffen werden überall auf der Welt Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen begangen«, betonte der Sprecher. »Deswegen tragen wir die Proteste auch hierher wieder zurück.« Als nächstes wolle man Anfang September die »Bombenfabrik« von Rheinmetall in Unterlüß blockieren.

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